Jahresberichte über die Arbeit der Pädagogischen Forschungsstelle
Im Jahresbericht des Bundes der Freien Waldorfschulen erscheint jährlich ein Bericht der Pädagogischen Forschungsstelle. Diese Berichte werden im Folgenden wiedergegeben und bieten einen Einblick in die Arbeit der Pädagogischen Forschungsstelle.
Inzwischen gestartet: Das große Projekt zum Geschichtsunterricht. – Neues über #waldorflernt und einige ausgewählte Publikationen
Seit Jahren arbeiten viele aktive Kolleg:innen aufmerksam an Lehrplanfragen für das Fach Geschichte. Dabei beschäftigen sie sich u. a. mit der Frage, wie sich Menschheitsentwicklung, wie sie Rudolf Steiner mit seinen Kulturepochen charakterisiert, in der aktuellen Geschichtsforschung spiegelt, und wie dies für den Geschichtsunterricht in der Schule fruchtbar gemacht werden kann, sodass dieser im Einklang mit Rudolf Steiners Intentionen dem aktuellen Stand der Geschichtsforschung entspricht.
Schon Rudolf Steiner sah 1924 eine Gefahr für dieses Fach: Rudolf Steiner in Arnheim 1924, GA 310, 6. Vortrag: „Es zeigt sich dadurch, daß der begeistertste Anthroposoph, wenn er zum Beispiel Geschichtslehrer wird, sofort in die Tendenz verfällt, nun in die Geschichtsauffassung Anthroposophie hineinzutragen und eigentlich statt Geschichte Anthroposophie lehren will. Das ist auch wiederum etwas, was man versuchen muß zu vermeiden.“ (S. 111)
Angesichts der gesellschaftlichen Entwicklung und Sensibilisierung entstand Ende 2022 unter Federführung von Michael Zech die Initiative in einer Reihe von Projekten, die Forschung für die Waldorfpädagogik voranzutreiben, anwendungsbezogene Konzepte zu entwickeln und diese in verschiedenen Publikationen der Lehrer:innenschaft zugänglich zu machen.
Dabei geht es weniger um die von Steiner gesehene Gefahr, sondern vielmehr um folgende Themen (Auswahl):
- Aktuelle Zugänge für den Beginn des Geschichtsunterrichts in der Mittelstufe.
- Postkoloniale Ansätze für den Geschichtsunterricht, die Ereignisse der Entdeckung, Eroberung und Kolonialisierung aus der Perspektive aller Beteiligter beleuchten.
- Von den Eurozentristischen Darstellungen der Frühen Neuzeit zu einer interkulturellen Globalgeschichte finden.
Generelle Lehrplanüberarbeitung
Aus insgesamt über 20 Themen von Experten aus den Waldorfschulen und Seminaren ergab sich „für nahezu alle Lehrplaninhalte die dringende Notwendigkeit, den Geschichtsunterricht neu aufstellen zu müssen. Die Anwesenden des Forums Geschichte waren sich dabei einig, den kulturgeschichtlichen Ansatz und Steiners Charakterisierung verschiedener sich wandelnder Bewusstseinsformen beibehalten, dem Geschichtsunterricht dabei jedoch die aktuellen Erkenntnisse über historischen Wandel, über heutige Datierungen und Verortungen zugrunde legen zu wollen. Die teilweise gravierenden Diskrepanzen zwischen dem, was vermittelt wird und dem Stand wissenschaftlicher Erkenntnis muss überwunden und damit die Kulturgeschichte an Waldorfschulen in unsere Zeit gestellt werden.“ (Zitat aus dem Antrag an die Pädagogische Forschungsstelle)
Die Arbeit an vielen der aus dieser Initiative entstandenen Teilprojekte wurde inzwischen begonnen, mit dem Ziel, die ersten Ergebnisse schon in zwei Jahren vorstellen zu können. Die breite Resonanz und Zustimmung, die das Projekt bei verschiedenen Vorstellungen erfuhr, haben auch die engagierten Kolleg:innen beflügelt. Auf der Webseite der Forschungsstelle können Sie sich demnächst über die einzelnen Projekte und die ersten Ergebnisse informieren.
Schon in den letzten Berichtsheften wurde ausführlicher über das Kooperationsprojekt #waldorflernt: analog, hybrid, digital der Pädagogischen Forschungsstelle mit der Öffentlichkeitsarbeitsabteilung und dem Team von Elewa e-learningwaldorf e.V. berichtet. Auch in diesem Jahr entstanden wieder neue kostenfreie Kurse. Hier seien insbesondere erwähnt
- der von Ulrike Bardt initiierte Menschenkunde-Kurs, mit kurzen Vorträgen von Albert Schmelzer und Jan Deschepper zu jedem der 14 Vorträge,
- je ein Kurs zur Medienbildung und zum Fremdsprachenunterricht
- und die beiden Kurse für Klassenlehrer:innen der 1. und 2. Klasse.
Zahlreiche Videokonferenzen, in denen sich Kolleg:innen zu aktuellen Themen austauschen konnten, wurden außerdem von Ulrike Sievers initiiert und durchgeführt.
An den Online-Newslettern der Öffentlichkeitsarbeitsabteilung ist auch die Pädagogische Forschungsstelle mit ihrem Onlineshop waldorfbuch.de durch die Arbeit von Petra Drammeh intensiv beteiligt. Für den Newsletter kann man sich unter www.forschung-waldorf.de/ newsletter/ anmelden.
Die PäFo wird ab dem nächsten Schuljahr mit einem neuen Logo auftreten und auch den Internetauftritt neu gestalten, um die Recherchemöglichkeiten zu Forschungsprojekten als auch in Archiven zu verbessern und die Fülle der Themen sowie aktuelle Projektberichte übersichtlich darstellen zu können. Das Logo stellt ein Zusammenspiel zwischen Schüler:innenn und Lehrkräften dar, welches im inneren Dreieck durch die Pädagogische Forschungsstelle zusammengehalten wird.
Das Graduiertenkolleg Waldorfpädagogik unterstützt in Zusammenarbeit mit der Alanus Hochschule in Alfter zurzeit fünf Stipendiat:innen mit einem Stipendium von 1.500 Euro pro Monat und einem Studienprogramm zu inhaltlichen und methodischen Schwerpunkten. Unter folgendem Link kann man weitere Informationen einholen und sich für eine Promotionsunterstützung bewerben: graduiertenkolleg-waldorfpaedagogik.de
Die Forschungsstelle konnte sich in diesem Jahr mit ihrem reichen Bücherangebot auf den Buchmessen in Frankfurt und Leipzig und bei der didacta in Stuttgart zeigen. In Leipzig stand z. B. das Thema Waldorfpädagogik und Hochbegabung im Zentrum mehrerer Veranstaltungen, die eine Gemeinschaftspublikation von Info3 Verlag und Pädagogischer Forschungsstelle präsentierten.
Mit dabei sind immer die Neuerscheinungen aus der wachsenden Reihe zum Geographieunterricht in der Klassenlehrerzeit von Gunter Keller und Hans-Ulrich Schmutz: „Die Eroberung des Raums“, Band 1, 2, 4 und 5 sind bereits erschienen. Weiterhin sei hingewiesen auf die neue „Handreichung zur Pflanzenkunde“ in der 5. Klasse von Regina v. Mackensen und Wolter Bos und das große „Buch vom Werken“ von Helmut Hinrichsen.
Zuletzt sei auf den Onlineshop waldorfbuch.de hingewiesen, wo Sie unsere Neuerscheinungen und die umfangreiche Backlist finden können. Alle Neuerscheinungen können sich die Schulen und andere Waldorfeinrichtungen auch über die sogenannte standing-order bestellen. Kontaktieren Sie in dieser Frage bitte: stauch@waldorf schule.de
Alexander Hassenstein und Christian Boettger
Erfolgreiche Promotionen im Graduiertenkolleg, Neues über #waldorflernt und einige ausgewählte Publikationen
Die Waldorfpädagogik befindet sich in stetiger Weiterentwicklung. Garant hierfür ist unter anderem die Pädagogische Forschungsstelle im Bund der Freien Waldorfschulen, die zahlreiche Forschungsprojekte initiiert, koordiniert und begleitet.
Neuigkeiten vom Graduiertenkolleg
Das Graduiertenkolleg Waldorfpädagogik an der Alanus Hochschule ist eines der wegweisenden Projekte der Pädagogischen Forschungsstelle (PäFo). Es wurde 2016 als Kooperationsprojekt mit der Alanus Hochschule und einer sehr guten finanziellen Unterstützung der Software AG Stiftung begonnen. In den beiden zurückliegenden Schuljahren schlossen vier Stipendiaten des Graduiertenkollegs mit sehr guten Abschlüssen ab.
Frank Steinwachs hat im Juni 2020 seine Dissertation zum Thema „Literaturdidaktik und Deutschunterricht an Waldorfschulen“ an der Universität des Saarlandes eingereicht und im Dezember 2020 verteidigt („cum laude“). Herr Steinwachs unterrichtet inzwischen am Seminar für Waldorfpädagogik in Hamburg und befindet sich im Bewerbungsverfahren für eine Juniorprofessur an der Freien Hochschule Stuttgart (am Standort Hamburg).
Larissa Beckel hat im April 2021 ihre Dissertation mit dem Thema „Bildungserfahrungen geflüchteter Adoleszenter an der Freien Waldorfschule Kassel“ an der Alanus Hochschule eingereicht und im Herbst 2021 sehr erfolgreich mit summa cum laude verteidigt.
Philipp Gelitz hat zum Thema „Pädagogische Qualität in Waldorfkindergärten und -krippen“ promoviert. Die Betreuung ist durch die Professoren Pollak (Universität Passau) und Bartosch (KU Ingolstadt-Eichstätt) gewährleistet. Eine waldorfpädagogische Expertise ist durch Professor Patzlaff gegeben. Er hat seine Promotion im Januar 2022 eingereicht und mit „summa cum laude“ im Frühjahr verteidigt. Inzwischen arbeitet er als Juniorprofessor an der Alanus Hochschule in Alfter im Bereich der Kindheitspädagogik.
Dr. Julia Schilter hat mit einer schon länger zurückliegenden Promotion im medizinischen Bereich im Juni 2022 mit dem Thema: „Eingewöhnungsprozesse von Kleinkindern in Waldorfkindergärten. Eine ethnografische Studie zur Praxisforschung“ nun ihre zweite Promotion sehr erfolgreich mit „summa cum laude“ abgeschlossen. Die Dissertation wurde an der Alanus Hochschule in Kooperation mit der Alice Salomon Hochschule in Berlin durchgeführt. Sie wird als Dozentin im Kleinkindbereich in Berlin an verschiedenen Ausbildungsstätten arbeiten.
Das Graduiertenkolleg unterstützt die Stipendiat:innen mit einem Stipendium von 1.500 Euro pro Monat und einem Studienprogramm zu inhaltlichen und methodischen Schwerpunkten. In diesem Zusammenhang konnten alle Stipendiat:innen ihre Forschungsprojekte an einem internationalen Kongress der Deutschen Forschungsgemeinschaft im März 2022 vorstellen.
Erfolgreicher Ausbau des Angebots #waldorflernt
Schon im letzten Berichtsheft wurde ausführlicher über das Kooperationsprojekt #waldorflernt: analog, hybrid, digital der PäFo mit der Öffentlichkeitsabteilung und dem Team von Elewa e-learningwaldorf e.V. berichtet. Im Schuljahr 2021/22 konnten die kostenfreien Kurse #waldorflernt und Waldorf-digital, die es Kolleg:innen ermöglichen, sich auch selbstständig vertiefender in verschiedene Themen einzuarbeiten, noch durch e-learningwaldorf.de erweitert werden. Zusätzlich entstand ein intensiver Kurs für Kolleg:innen der 1. Klasse. Diese trafen sich wöchentlich in Videokonferenzen mit Gunter Keller, besprachen ihre Unterrichtsvorbereitung und -durchführung und konnten dabei viele hilfreiche Materialien austauschen. Dieser Kurs wird im Schuljahr 2022/23 für die 1. und 2. Klasse fortgesetzt. Zahlreiche Videokonferenzen, in denen sich Kolleg:innen zu aktuellen Themen (u. a. Umgang mit dem Thema Krieg und Flüchtlingen in den verschiedenen Klassenstufen) austauschen konnten, wurden insbesondere von Ulrike Sievers initiiert und durchgeführt. Im Podcast #waldorflernt: Gegenwart hören, Zukunft gestalten laden Gespräche über aktuelle pädagogische Themen Lehrkräfte und Eltern ein, sich inspirieren zu lassen. Die Beiträge zu #waldorflerntsexeducation widmen sich vor allem dem wichtigen Thema der Beziehungskunst. Info: waldorflernt.de
Neuigkeiten aus der Forschungsstelle: Nichts verpassen mit Newsletter und Standing Order
An den Online-Newslettern der Öffentlichkeitsarbeitsabteilung ist die Pädagogische Forschungsstelle mit Themenbeiträgen aus den Bereichen Forschung, Publikationen, Veröffentlichungen, Lehrmaterial und Aus- und Weiterbildung durch die Arbeit von Petra Drammeh intensiv beteiligt. Für den Newsletter kann man sich unter forschung-waldorf.de/newsletter/ anmelden. Wir freuen uns, seit Mai 2022 eine neue Mitarbeiterin in Marika Stauch gefunden zu haben, die durch ihre Vorerfahrungen im Verlagsbereich und in der Geschäftsführung einer Waldorfschule unser Verlagsgeschäft hervorragend unterstützen und erweitern wird.
Aus dem Bereich der Publikationen sei insbesondere auf die Webseite waldorfbuch.de hingewiesen, wo Sie unsere Neuerscheinungen und die umfangreiche Backlist finden können. Alle Neuerscheinungen können sich die Schulen und Einrichtungen auch über die sogenannte Standing-Order bestellen. Kontaktieren Sie in dieser Frage bitte stauch@waldorfschule.de.
Hervorheben möchten wir an dieser Stelle zwei Bücher, die die Waldorfpädagogik jeweils um einen wichtigen Aspekt erweitern sollen: Das umfassende siebenbändige Werk von Angelika Schmitt und Albert Schmelzer zum Thema Weltreligionen im Zusammenklang ermöglicht es, den Beitrag der sieben von den Autor:innen vorgestellten Weltreligionen (Indigene, Alt Chinesische, Hinduismus, Buddhismus, Judentum, Christentum und Islam) zu einem umfassenden Religionsverständnis zu erfassen und trägt so zu einer Wertschätzung der einzelnen Religionen bei. Das Werk wurde im September in der Hochschule Mannheim im Rahmen eines Studientages vorgestellt.
Weiterhin sei auf das Buch Beziehungskunst hingewiesen. Dieses Buch ist aus einem Forschungs- und Arbeitsprojekt zum Thema Sexualpädagogik an Waldorfschulen hervorgegangen und bereitet das Thema mit einem besonders einfühlsamen und informativen Ansatz für viele aktuelle Themen auf, wie dem Umgang mit Kindern, die sich in ihrem angeborenen Geschlecht nicht „zu Hause“ fühlen, oder mit dem Thema Konferenzfortbildung.
Die Forschungsstelle konnte sich in diesem Jahr mit ihrem reichen Bücherangebot aufgrund der Veranstaltungsbeschränkungen nur auf der Buchmesse in Frankfurt und bei der Didacta zeigen. Trotzdem können wir mit dem Bücherverkauf (über waldorfbuch.de) insgesamt zufrieden sein.
Alexander Hassenstein und Christian Boettger
#waldorflernt und einige ausgewählte Publikationen
Kollegialer Austausch und Weiterbildung in digitalen Formaten.
Als Antwort auf die Herausforderungen rund um das Thema Fern- und Hybridunterricht konnte in Kooperation mit dem Team von elewa-eLearningWaldorf e.V. im letzten Jahr das Projekt #waldorflernt: analog, hybrid, digital gestartet werden. #waldorflernt hat sich der Aufgabe angenommen, Kolleginnen und Kollegen durch unterschiedliche digitale Angebote in ihrer täglichen pädagogischen Arbeit zu unterstützen.
Den Ausgangspunkt dieser Arbeit bildeten die von tätigen Kolleg:innen geteilten, in dem Online-Kurs „Waldorf digital: gemeinsam kreativ gestalten“ zusammengetragenen Unterrichtsbeispiele. Hier konnten Lehrkräfte Anregungen dafür finden, wie sich trotz der Herausforderungen von Fern- und Hybridunterricht ein waldorf-pädagogisches Unterrichtsangebot mit Blick auf das Wohl und die Bedürfnisse der Kinder und Jugendlichen sowie die Möglichkeiten und Kräfte der Pädagog:innen und Eltern gestalten lässt.
Kolleg:innen beschrieben dieses Angebot in einer Umfrage als „eine gute Auswahl an Ideen und ‚Best-practice‘- Beispielen“ und „,waldorf-gemäße‘ konstruktive Ideen für das Homeschooling und den Onlineunterricht“. Sie schätzten „die Aktualität der Themen und den Pragmatismus in der Herangehensweise“ ebenso wie „die Mischung aus Videos und inhaltlich gehaltvollen Texten und Übungen“.
Durch das tatkräftige Engagement von Heidi Pussel und Ulrike Sievers und das begleitende Team von Ulrike Barth, Martyn Rawson, Nele Auschra und Christian Boettger konnten zudem zahlreiche Videokonferenzen stattfinden, in denen Kolleg:innen Anregungen erhielten, mit den immer wieder sich verändernden Unterrichtsbedingungen kreativ umzugehen. Insbesondere ging es um die Frage, wie man – auch in Zeiten des Fernunterrichts – Schüler:innen zu nachhaltigen Lernprozessen einladen und zu Interaktion und Austausch anregen kann. Darüber hinaus ermöglichten diese Onlinetreffen den kollegialen Austausch über regionale und Schulgrenzen hinweg – eine Gelegenheit des gemeinsamen Lernens und Wachsens, wie wir sie bisher von Fortbildungen kennen und die als erfrischende Kraftquelle erlebt wurde. Eine Kollegin schrieb hierzu: „Ich habe es in der Pandemie als sehr wohltuend empfunden, Menschen zu begegnen. Dabei habe ich das ‚Digitale‘ nicht als störend empfunden. Die besondere Situation hat dazu geführt, dass ich mir über das Unterrichten und das ‚Lehrerin-Sein‘ ganz neue Gedanken gemacht habe. Besonders erfreut war ich, auf #waldorflernt Gleichgesinnte zu treffen, die sich über Pädagogik unter diesen besonderen Umständen Gedanken machen. Am meisten gefiel mir der Ansatz, wenn Expertise in Form eines erfahrenen Menschen als Auftakt der Veranstaltung zu einem angekündigten Thema angeboten wurde.“
Die Themen dieser Treffen ergaben sich aus der Fernlern-Situation und entsprangen z. T. auch den Wünschen der Teilnehmenden. Es ging u. a. um selbstständiges Arbeiten, verschiedene Onlineformate, ihre Qualitäten und Möglichkeiten, Möglichkeiten der Entlastung durch kollegiale Zusammenarbeit und Auswirkungen der Situation auf Kinder und Jugendliche.
Innerhalb der #waldorflernt-Video-Sprech-stunden konnten die unterschiedlichen digitalen Formate und Werkzeuge jeweils direkt ausprobiert und geübt werden. Dabei war es ein zentrales Anliegen, dass die Teilnehmenden auch ihre eigenen Gedanken und Ideen miteinander austauschen konnten. Das Angebot wurde dankbar aufgegriffen und so entstand eine kleine schul- und fachübergreifende Lern- und Arbeitsgemeinschaft.
Die Rückmeldungen derjenigen, die über mehrere Wochen regelmäßig an den Online-Treffen teilgenommen hatten, zeigen das Potenzial digitaler kollegialer Vernetzung: „Die Plattform bot einen dringend notwendigen, inhaltlichen Austausch, der – aufgrund unterschiedlicher Faktoren – innerhalb des eigenen Kollegiums nicht geleistet werden konnte.“
Für eine vertiefende selbstständige oder auch kollegiale Arbeit an verschiedenen Themen entstanden auf der elewa-Plattform e-learningwaldorf.de weitere kostenfreie Kurse im Bereich #waldorflernt und Waldorfdigital. Die Wünsche für zukünftige Online-Angebote legen nahe, dass die teilnehmenden Kolleg:innen das Online-Format als eine für sie wichtige und ernst zu nehmende Möglichkeit der professionellen Weiterbildung und des gemeinsamen kollegialen Lernens und Wachsens erlebt haben und das Potenzial dieses Angebotes noch lange nicht erschöpft ist. Informationen zur weiteren Arbeit von #waldorflernt finden sich auf waldorflernt.de.
Neue Publikationen zur Vorbereitung und für den Unterricht
Weiterhin möchten wir an dieser Stelle auf einige besondere Publikationen hinweisen, die zum Teil als reine Unterrichtsvorbereitungsmaterialien, teils auch als Arbeits- und Materialbücher für die Schüler:innen gedacht sind. In diese Kategorie fällt das Buch von Michael Zech: Die Entstehung der modernen Zivilisation. Es ist ein Materialbuch, das den Geschichtsunterricht in der 8. Klasse unterstützen soll. Es kann sowohl im Präsenz-, Wechsel- oder Distanzunterricht bestens eingesetzt werden. Historische Einführungen in die Themengebiete Technik, Wirtschaft, Umwelt und Soziales werden durch Karten, Bilddokumente, Quellentexte und Kurzbiografien zu den großen Veränderungen seit dem 18. Jahrhundert ergänzt und ermöglichen durch Fragestellungen und Aufgaben vielfältige Arbeitsformen, um die geschichtlichen Zusammenhänge denkend zu erschließen. Lehrer:innen finden auf der Webseite der Pädagogischen Forschungsstelle begleitende methodisch-didaktische Anregungen. Ein ähnliches Anliegen verfolgt das Lehr- und Übungsbuch zur Projektiven Geometrie von Stefan Sigler, allerdings ist es insbesondere für Kolleg:innen gedacht, die sich über einen eigenen Übungsweg und zahlreiche Übungsaufgaben, die auch für den Unterricht selbst ganz direkt übernommen werden können, in dieses weitreichende Gebiet einarbeiten wollen.
Ganz besonders soll an dieser Stelle das große Werk von Albert Schmelzer und Angelika Schmitt hervorgehoben werden: Die Weltreligionen – Vielfalt und Zusammenklag, das die Pädagogische Forschungsstelle nach einem über viele Jahre laufenden Forschungsprojekt jetzt in einer sehr ansprechenden und aufwendig hergestellten Publikation veröffentlicht hat. Das Werk bearbeitet in sieben Bänden (je zw. 100–150 Seiten) sieben Weltreligionen und ihre Bedeutung sowie ihren Beitrag für einen interreligiösen Dialog. Dabei werden neben einer historischen Darstellung jeweils aktuelle Bezüge hergestellt und einige ganz besondere Vertreter:innen dieser Religionen in ihrer Biografie so dargestellt, dass diese direkt für Unterrichtsabschnitte verwendet werden können. Aus dem Bereich der Forschung soll an dieser Stelle kurz auf die Publikation von Dirk Randoll und Jürgen Peters: Wir waren auf der Waldorfschule hingewiesen werden. Im Rahmen des 100-jährigen Jubiläums der Waldorfpädagogik initiierte die Forschungsstelle eine Neuauflage der Ehemaligenstudie von Dirk Randoll. Die Resultate dieser umfangreichen Ehemaligenbefragung liegen seit Januar 2021 nun vor. Ein weiteres Ergebnis aus dem Jahr 2019 ist eine Publikation, die von Dirk Rohde herausgegeben wurde: Waldorfpädagogik – eine Bestandsaufnahme. Hier werden 12 Beiträge von namhaften Forscher:innen, aus einer öffentlichen Ringvorlesung, die im Jubiläumsjahr an der Universität Marburg stattgefunden hat, veröffentlicht.
Ein besonderes Ereignis war im Schuljahr 2021 die sich zum 100. Mal jährende Oberstufengründung der Waldorfschulen. Den Kolleg:innen der Forschungsstelle Kassel und insbesondere Wilfried Sommer ist es zu verdanken, dass dieses Ereignis in einem ganz besonderen Rahmen stattfinden konnte und damit dem Verdacht einer nochmaligen Feier eines Jubiläums enthoben wurde. Im Rahmen des Jugendsymposions konnte Wilfried Sommer durch die Einladung von Thomas Fuchs, Hartmut Rosa und Siri Hustvedt in der documenta-Halle in Kassel unter Beteiligung namhafter Vertreter:innen der Stadt Kassel eine exzellent vorbereitete Tagung zu dem Thema Conditio humana – Resonanzfiguren des verkörperten Selbst durchführen, die, wie auch an anderer Stelle berichtet, weltweit übertragen wurde.
Die Forschungsstelle konnte ihr reiches Bücherangebot aufgrund der Veranstaltungsbeschränkungen leider nicht mit Büchertischen bei Veranstaltungen zeigen. Trotzdem sind wir mit dem Bücherverkauf über waldorfbuch.de insgesamt zufrieden.
Alexander Hassenstein und Christian Boettger
Die Beiträge der Hochschulen und Seminare zur Forschung für die Waldorfpädagogik
Zu Beginn dieses Arbeitsjahres galt es noch, die Ernte der Arbeit für das Jubiläumsjahr der Waldorfschulbewegung in Form von 18 Publikationen zu genießen und die Verbreitung dieser wirklich hervorragenden Bücher zu fördern. Ihre Wirksamkeit geht weit über das Jahr 2019 hinaus. Im Laufe des Jahres wurde an Übersetzungen vieler Publikationen, insbesondere ins Englische, gearbeitet. Beispiele dafür sind das Buch von Tobias Richter: „Pädagogischer Auftrag und Unterrichtsziele“, das Studienbuch zur Menschenkunde (Sonderausgabe von GA 293, 294 und 295 in einem historisch gegliederten Band) und der erste der drei Bände von Nana Göbel: „Die Waldorfpädagogik und ihre Menschen“. Weiterhin wurde unser Webshop waldorfbuch.de um eine englische und spanische Version ergänzt.
Das Filmprojekt der Begleitung einer Waldorfschulklasse vom 1. bis zum 8. Schuljahr wurde in diesem Jahr durch den Interviewfilm „Reden wir von Leben und Tod“ vollständig abgerundet: Schülerinnen und Schüler interviewen sich im Rahmen ihres Steinhauprojektes gegenseitig zu ihren Perspektiven nach 12 Jahren Waldorfschule. Diese DVD wird durch eine Webdoku ergänzt, die auf der Homepage von Maria Knilli: guten-morgen-liebe-kinder.de und auf der Seite der Forschungsstelle forschung-waldorf.de zu finden ist und den individuellen Rückblick der einzelnen Schülerinnen und Schüler auf ihre Schulzeit zeigt.
Rechtzeitig zur ausgefallenen Leipziger Buchmesse erschien das schon vielfach sehr gelobte Buch von Michaela Glöckler: „Schule als Ort gesunder Entwicklung“, das den Blick auf den zentralen und umfassenden gesundheitsfördernden Ansatz der Waldorfpädagogik lenkt.
Die Pädagogische Forschungsstelle engagiert sich in der Vernetzung und Zusammenarbeit im Rahmen von Forschungsvorhaben der Hochschulen und Seminare und kann einzelne Projekte finanziell fördern oder anstoßen, nicht aber eine umfangreiche Unterstützung der Hochschulfinanzierung. Die Hochschulen sind daher bei allen Projekten sowohl inhaltlich tätig als auch mit eigenen oder eingeworbenen finanziellen Mitteln beteiligt. Mit diesem Beitrag möchte ich auf die außerordentlich umfangreiche Arbeitsleistung insbesondere der Hochschulen in Stuttgart, Alfter/Mannheim, Kassel und auch von anderen Seminaren hinweisen. Die folgende Tabelle zeigt die Anzahl der Beiträge und Aufsätze in verschiedenen Zeitschriften oder auch Onlineportalen und Buchpublikationen:
Jahr/Schuljahr* | 2016 | 2017 | 2018 | 2019 |
---|---|---|---|---|
Beiträge in Fachbüchern oder Zeitschriften | 101 | 99 | 92 | 150 |
Publikationen | 19 | 16 | 15 | 24 |
*Die Abgrenzung zwischen Schuljahr und Erscheinungsdatum des Aufsatzes oder des Buches ist nicht immer ganz klar möglich
Zu diesen Zahlen muss gesagt werden, dass ich nicht von allen Einrichtungen gut verwertbare Übersichten bekommen habe, dass durch die gute und vernetzte Zusammenarbeit auch gemeinsame Publikationen entstanden sind und daher vielleicht einzelne Beiträge doppelt gezählt wurden. Viele der Bücher enthalten Sammlungen von Beiträgen, die in der zweiten Zeile gezählt wurden.
Insgesamt zeigt die Übersicht die außerordentliche Produktivität der Hochschulen und die umfangreiche Arbeit, die neben der Lehre und Ausbildung zu leisten ist.
Einige ausgewählte Bücher sollen im Folgenden besonders erwähnt sein. Dabei habe ich versucht, die Ausbildungsstandorte und die verschiedenen Autorinnen und Autoren gleichermaßen zu würdigen. Im neuen Journal für Waldorfpädagogik (ehemals „Lehrerrundbrief“) soll eine ausführlichere Übersicht dokumentiert werden.
Im Jahr 2016 ist nach vielen Jahren der Zusammenarbeit und Forschung das „Handbuch Waldorfpädagogik und Erziehungswissenschaft“ herausgekommen, in dem Jost Schieren als Herausgeber rund 45 Beiträge versammelt hat, die eine Standortbestimmung der Waldorfpädagogik im erziehungswissenschaftlichen Kontext vornehmen. Viele dieser Beiträge sind seit der Veröffentlichung auch an anderen Orten erschienen und übersetzt worden. Das bei Beltz Juventa erschienene Buch wird trotz des Umfangs sehr gut verkauft. Weiterhin möchte ich das von Richard Landl, Jürgen Peters und Alexander Röhler beim Peter Lang Verlag herausgegebene Buch „Qualitätsentwicklung an Waldorfschulen“ erwähnen, das in vielen Waldorfschulen als Grundlage des Qualitätsentwicklungsverfahrens gilt. Außerdem das von Bernhard Schmalenbach im Verlag am Goetheanum und im Athena Verlag herausgegebene Buch „Dimensionen der Heilpädagogik“.
Für das Jahr 2017 habe ich drei Publikationen ausgewählt, die insbesondere durch die Kollegen der Hochschule in Stuttgart initiiert wurden: Da ist zunächst das von Tomáš Zdražil und Peter Selg herausgegebene Buch „Anthroposophie und Hochschule“, in dem ein Blick auf die geisteswissenschaftliche Perspektive von Forschung, Studium und Ausbildung versucht wird. Im Verlag Barbara Budrich erschienen zwei Bücher: Edwin Hübner und Leonhard Weiss greifen in dem Buch zu „Personalität und Lehrerbildung“ insbesondere die Herausforderung der Digitalisierung und der Ökonomisierung auf, während Peter Loebell und Philipp Martzog in „Wege zur Lehrerpersönlichkeit“ den Aspekt der Persönlichkeitsbildung in den Fokus nehmen.
Im Jahr 2018 ist mir insbesondere die Promotionsschrift von Jörg Soetebeer aufgefallen: „Umbildende Erfahrung – Goethes Begriff von Selbstbildung“, erschienen im Böhlau Verlag, in der er die Bildungspraxis Goethes und seinen Anspruch an Bildung sehr fundiert darstellt. Weiterhin sei das Buch der Hochschule Mannheim (Ulrike Barth, Ariane Clemens, Thomas Maschke und Sophie Pannitschka als Herausgeber) aufgeführt: „Impulse für die Zukunft aus Waldorf- und Heilpädagogik“. Die Herausgeber zeigen mit diesem Buch zeitgemäße Perspektiven der Erwachsenenbildung auf. Das wohl wichtigste Buch aus diesem Jahr für den Oberstufenunterricht des 21. Jahrhunderts an Waldorfschulen ist ganz sicher das „Handbuch Oberstufenunterricht an Waldorfschulen“, herausgegeben von den Kasseler Kollegen Stephan Sigler, Wilfried Sommer und Michael Zech.
Aus dem Jahr 2019 nur drei Bücher auszuwählen fällt besonders schwer. Wegweisend scheinen mir aber die von Kolleginnen und Kollegen der Hochschule Mannheim im Residenz Verlag begonnene Reihe „an:regung pädagogik“, die in diesem Jahr mit zwei Publikationen begonnen wurde. Weiterhin das von Albert Schmelzer und Jan Deschepper sorgfältig erarbeitete und leicht verständlich geschrieben Buch „Menschenkunde verstehen“. Zuletzt dann das von Tomáš Zdražil sorgfältig
recherchierte und in unserer edition waldorf erschienene Buch „Freie Waldorfschule in Stuttgart 1919- 1925“.
Schließlich möchte ich die im Jahr 2020 begonnenen und von Angelika Wiehl herausgegebenen Reihen „Grundlagen der Waldorfpädagogik“ (Beltz Juventa) und „Praxis Waldorfpädagogik“ (auch Beltz Juventa) erwähnen.
Immer deutlicher wird, dass dringend einige Themen aus dem Klassenlehrerbereich überarbeitet werden müssen. Das soll in den nächsten Jahren in Angriff genommen werden. Einerseits müssen neue Forschungsergebnisse aufgearbeitet und unsere Herangehensweise ggf. angepasst werden. Damit einher geht andererseits auch die Überarbeitung einiger Standardwerke aus dem Bereich Muttersprache, der Einführung des Rechnens und der Naturwissenschaften.
Alexander Hassenstein und Christian Boettger
So viele Publikationen wie nie zuvor in der Forschungsstelle
Das Jahr 2019 kann als eines der publikationsintensivsten Jahre der Pädagogischen Forschungsstelle gelten. Die insgesamt 18 Buchprojekte, die direkt im Zusammenhang mit dem 100-jährigen Jubiläum stehen, konnten nur durch die gute Zusammenarbeit mit mehreren Verlagen, Lektoren und Layoutern verwirklicht werden. Bis September 2019 wurde noch mit Hochdruck an den Publikationen gearbeitet, die sehr deutlich den Schwerpunkt der pädagogischen Konzepte auf der ganzen Welt haben. Den vielen Autoren und Mitarbeitenden sei an dieser Stelle herzlich für ihren Einsatz gedankt, es sind viele lesenswerte Bücher entstanden, die sicher auch eine mittelfristige Wirksamkeit entfalten werden.
Das Buchgeschäft mit dem neuen Internetshop www.waldorfbuch.de hat sich sehr gut etabliert und wird von vielen Kolleginnen und Kollegen geschätzt. In Zukunft werden einzelne Titel auch als E-Book verfügbar gemacht. Im vergangenen Schuljahr wurde von seiten der Kasseler Forschungsstelle, der Geschäftsführung in Stuttgart und dem Vorstand eine klare Aufgabenverteilung zwischen den beiden Bereichen der Pädagogischen Forschungsstelle in Kassel und Stuttgart vorangetrieben und abgeschlossen. In Zukunft wird das gesamte Buchgeschäft über das Büro in Stuttgart abgewickelt. Es wird keinen Verkauf und Versand von Büchern direkt aus Kassel mehr geben. Allerdings werden weiterhin die Bücher aus Kassel an dem Layout erkennbar sein.
Von der Kasseler Abteilung der Forschungsstelle werden weiterhin die Lehrmittel entwickelt, weiterentwickelt und auch vertrieben. In den letzten Jahren ist deutlich geworden, dass gerade für diese Lehrmittel sehr viel Entwicklungszeit benötigt wird. Wenn dann jetzt durch eine größere Lagerkapazität (Wegfall des Bücherlagers) die Einzelserien der Geräte und Versuche etwas größer ausfallen können, erhoffen wir uns, dass wir Zeit und Arbeitskräfte einsparen können. Der Schritt, das Büchergeschäft zusammenzulegen, ist eine der schönen Früchte der sehr vertrauensvollen und produktiven Zusammenarbeit der beiden Standorte der Pädagogischen Forschungsstelle.
Es gibt auch neue Forschungsarbeiten und Projekte im Bereich der Forschungsstelle. Einige wenige seien hier stellvertretend für die ca. 60 Projekte genannt:
Als Erstes ist auf die Webseite über die Studien zur Anthropologie Rudolf Steiners (ARS) ars-studien.de hinzuweisen, auf der kostenfrei verschiedene vertiefende Beiträge zu Themen der Menschenkunde und des Heilpädagogischen Kurses heruntergeladen werden können. Das Projekt wurde auf der Mitgliederversammlung im März in Dortmund vorgestellt. In ihm arbeiten acht Menschen mit langjähriger Erfahrung aus den Bereichen der Waldorfpädagogik, der anthroposophischen Heilpädagogik und Medizin. Zielsetzung ist, die Menschenkunde Rudolf Steiners nach den in ihr liegenden Themen und ihre vielfältigen Aspekte wissenschaftlich fundiert aufzuarbeiten und insbesondere neue Gedanken und Aspekte ins Gespräch zu bringen.
Nachdem die neue Studienausgabe zur Allgemeinen Menschenkunde Rudolf Steiners insbesondere wegen ihrer guten Aufarbeitung der Quellen geschätzt wird, haben wir uns in einem Vorprojekt darum gekümmert, welche weiteren pädagogischen Bände aus der Gesamtausgabe einer Überarbeitung bedürfen. In enger Zusammenarbeit zwischen der Pädagogischen Forschungsstelle, der Pädagogischen Sektion und dem Rudolf Steiner Archiv wird nun beraten, in welcher Reihenfolge die Aufarbeitungen geschehen sollen. Federführend werden sie vom Schweizer Waldorflehrer Urs Dietler bearbeitet.
In den vergangenen Jahren wurde an dieser Stelle in mehreren Berichten auf die erste Langzeitstudie über Waldorfschüler verwiesen. Entstanden sind drei Filme von Maria Knilli, die eine Klasse an der Freien Waldorfschule Landsberg und ihre Klassenlehrerin Christiane Umbach über die ersten acht Schuljahre begleitet hat. Ebenso wurde bereits vom Streaming-Portal der Pädagogischen Forschungsstelle (Streaming Portal) berichtet, das in enger Zusammenarbeit mit Frau Knilli entwickelt worden ist. Weiteres Filmmaterial aus dieser Studie wurde in Themenreihen zusammengestellt, mit dem jetzt in Lehrerausbildung und Forschung gearbeitet werden kann.
Die Klasse, deren Entwicklungs- und Lernweg damals dokumentiert wurde, hat im Sommer 2019 das 12. Schuljahr abgeschlossen. Im Projekt des Bayerischen Rundfunks, aus dem die ersten drei Filme entstanden sind, war keine Dokumentation der Weiterentwicklung der Klasse in der Oberstufe vorgesehen. So entstand die Idee zu einem Interviewfilm, der einen Rückblick auf die gesamte Waldorfschulzeit und einen Vorblick auf die geplanten Lebensentwürfe der Jugendlichen umfassen sollte. Zusammen mit den Schülerinnen und Schülern wurden die Themen und Fragestellungen entwickelt.
Der neue Film von Maria Knilli trägt den Titel „ZUGEHÖRT – Zwölftklässler einer Waldorfschule über sich und die Welt“. Darin interviewen sich die Schülerinnen und Schüler gegenseitig im Rahmen ihrer Kunstfahrt nach Azzano (Italien). Dieser Film rundet die beiden anderen Filmprojekte ab, weil er eine sehr persönliche „Ernte“ der Waldorfschulzeit beschreibt. Er wird nach der Präsentation von Ausschnitten beim internationalen Kongress in Stuttgart im Septemper 2019 für verschiedene Filmfestivals angemeldet und danach als DVD verkauft werden.
Ein neues Forschungs- und Publikationsprojekt wurde im Frühjahr 2019 zum Thema Hochbegabung und Hochsensibilität ins Lebengerufen. An der Mitgliederversammlung des BdFWS konnte eine Arbeitsgruppe gegründet werden, die in einer Forschungsklausur das weitere Vorgehen beraten hat.
Christian Boettger, Geschäftsführer beim BdFWS
Webshops von Waldorfbuch.de jetzt benutzerfreundlicher
Der Bericht aus der Pädagogischen Forschungsstelle beim BdFWS ist in diesem Jahr geprägt von vielen abschließenden Arbeiten an Projekten, die insbesondere mit „100 Jahre Waldorfpädagogik“ in Verbindung stehen. So wird eine ganze Reihe von neuen Publikationen 2018 erscheinen, z.B. eine Geschichte der Waldorfpädagogik im deutschsprachigen Raum von Prof. Volker Frielingsdorf, eine umfangreiche Darstellung der Entwicklung der Waldorfpädagogik in der Welt von Nana Göbel und eine vollständige Überarbeitung der drei Bände „Konferenzen“ (GA 300) von Rudolf Steiner. Eine komplette Liste der Neuerscheinungen findet sich auf der Homepage von www.waldorfbuch.de.
Des Weiteren möchten wir an dieser Stelle auf ein neues Angebot in Bezug auf unsere Fremdsprachenlektüren aufmerksam machen. Für die folgenden Lektüren haben wir den Teil der Übungen von der reinen Lektüre getrennt: Ghosts at the Castle, Outlaw (die Robin-Hood-Geschichte mit geringerem Schwierigkeitsgrad als bei der Ausgabe „Robin Hood“), Stone Fox und die neue Lektüre They Fought for Freedom.
Intensiv haben wir uns im letzten Jahr mit einer vollkommenen Neukonzeption unseres Internetbookshops (www.waldorfbuch.de) befasst. Wir sind davon überzeugt, dass die Nutzer mit diesem neuen Bookshop ihre Bestellungen und Recherchen zu unserem großen Angebot sehr viel leichter und schneller erledigen können.
Weiterhin können wir auf die ersten Filme im sogenannten Streaming-Portal der Forschungsstelle hinweisen. Diesem Portal ging die Langzeitdokumentation des Bayerischen Rundfunks unter Federführung von Maria Knilli voraus. Sie begleitete den Unterricht einer Klassenlehrerin von der 1. bis zur 8. Klasse an der Waldorfschulein Landsberg. Die drei Filme „Guten Morgenliebe Kinder“, „Eine Brücke in die Welt“ und „Auf meinem Weg“ hatten sowohl im Fernsehen als auch als DVD für Begeisterung, sehr anregende Gespräche und Diskussionen gesorgt. Bei der Endproduktion des dritten Filmes „Auf meinem Weg“ entstand in der Zusammenarbeit von Maria Knilli mit der Pädagogischen Forschungsstelle die Idee, dass man nicht verwendetes Filmmaterial für Lehrerbildung und Forschung aufarbeiten könnte. Dabei sollte in Reihen vorgegangen werden, die zentrale Unterrichtsthemen aufgreifen und gleichzeitig Aspekte der pädagogischen Arbeit in der Schule berühren.
Das Besondere an diesem Material ist, dass es ursprünglich nicht zu dem Zweck gefilmt wurde, für Lehrerausbildung und Forschung zu dienen. Es sollte vielmehr die Lern- und Arbeitsfortschritte von Kindern in der Klassenlehrerzeit zeigen, ohne Kinder oder Pädagogen bloßzustellen – mit der Vorgabe, den Unterrichtsablauf so wenig wie möglich zu stören. Die drei oben genannte Filme zeigen, dass dies dank der einfühlsamen Filmemacherin, die praktisch als „Ein-Frau Team“arbeitete, gelungen ist.
Durch die ergänzenden Reihen im Streaming-Portal (Streaming Portal) kann man den pädagogischen Alltag der Klasse miterleben. Für die Lehrerausbildung wird es insbesondere interessant sein, die gesehenen Szenen zu reflektieren und zu diskutieren. Waldorfpädagogik kann sich nicht durch die Nachahmung von gelungenen Stunden entwickeln, sondern nur durch eine intensive Wahrnehmung der Kinder in ihren Lernbedürfnissen oder auch Lernbarrieren.
In unserem Streaming-Portal werden sich nach der endgültigen Fertigstellung fünf bis sechs Filme finden, die verschiedene Fachbereiche des Unterrichts in der Klassenlehrerzeit abdecken. Nach der Auswahl des Faches können die Nutzer ein Schuljahr wählen, das sie ansehen möchten, oder den ganzen Film ansehen. Allerdings sind die Filme nicht öffentlich zugänglich. Nach Registrierung, bei der die Nutzer einen Nachweis erbringen müssen, dass sie an einer Einrichtung tätig sind, die sich der Lehrerbildung oder Forschung widmet, erhalten sie einen persönlichen Zugang freigeschaltet. Dass die Filme heruntergeladen werden können, ist nicht vorgesehen. Beide Maßnahmen – Registrierung und Verzichtauf die Downloadfunktion – wurden zur Wahrung der Persönlichkeitsrechte der Darsteller ergriffen.
Wir danken ausdrücklich den Schülerinnen und Schülern und den Eltern der gezeigten Klasse, den Kolleginnen und Kollegen aus Landsberg und insbesondere der Klassenlehrerin Christine Umbach für die Genehmigung, diese Filme zeigen zu dürfen. Wir danken weiterhin dem Bayerischen Rundfunk für die Genehmigung, das Filmmaterial für dieses Portal aufarbeiten zu dürfen, und wir danken Maria Knilli von der Tittel- und Knilli-Filmproduktion für die gute Zusammenarbeit.
Wir weisen darauf hin, dass die Klassenlehrerin sich in ihrer Stoffauswahl grundsätzlich an dem Lehrplan von Tobias Richter (siehe auch unsere Webseite) orientiert, aber selbstverständlich den Lernbedürfnissen der Kinder entsprechend Themen und Methoden autonom wählt. Für die Lehrerbildung und Forschung ist aus diesem Grund vor allem der Blick auf die sich entwickelnden und lernenwollenden Schülerinnen und Schüler von Interesse.
Die Arbeit wurde von verschiedenen Stiftungen intensiv finanziell unterstützt: Wir danken der Waldorfstiftung, der DAMUS-Donata e.V., der Mahle-Stiftung und der GLS Treuhand für die Unterstützung.
Christian Boettger, Pädagogische Forschungsstelle beim BdFWS
100 Jahre Waldorfpädagogik auch in der Forschung präsent
Den Schwerpunkt dieses Berichts aus der vielfältigen Arbeit der Pädagogischen Forschungsstelle sollen Projekte bilden, die unmittelbar in Zusammenhang mit dem 100-jährigen Jubiläum der Waldorfschule stehen. Weiterhin wird ein kurzer Blick auf die weitere Entwicklung der drei Projekte geworfen, über die im vergangenen Jahr schwerpunktmäßig berichtet worden ist.
In Zusammenhang mit dem 100. Geburtstag stehen zum einen Projekte, in denen die Textgrundlage wichtiger Veröffentlichungen in der Rudolf-Steiner-Gesamtausgabe bearbeitet wird, außerdem geht es um die Bearbeitung der komplexen Geschichte der Schulbewegung und schließlich um aktuelle Aspekte der Waldorfpädagogik.
Während Arbeitsgesprächen des Bundesvorstands und der Pädagogischen Sektion mit der Rudolf-Steiner-Nachlassverwaltung entstand die Initiative von Florian Osswald und Christian Boettger, im Rahmen eines größeren Projekts die Textgrundlage des ersten Lehrerkurses Steiners vor der Schulgründung intensiv zu bearbeiten. Das Projekt läuft in enger Zusammenarbeit mit der Nachlassverwaltung unter der Führung von Urs Dietler, einem erfahrenen Waldorflehrer und gleichzeitig ehemaligen Mitarbeiter des Archivs.
In einer Sonderedition wird es zum 100. Geburtstag eine chronologische Zusammenstellung aller Vorträge geben, die damals im August 1919 vor dem kleinen Kreis der Anwesenden gehalten wurden. Bisher sind die Vorträge in den Bänden GA 293, 294 und 295 veröffentlicht. Intensiv wird die vorhandene Textgrundlage im Archiv überprüft und es werden neue Erkenntnisse eingearbeitet. Weiterhin werden alle Anmerkungen auf den aktuellen Kenntnisstand gebracht. Zusätzlich zu diesem Projekt gibt es zwei Forschungsarbeiten, die sich um Fragen der Aktualität und der Zugänge zu den Hinweisen von Rudolf Steiner bemühen, die diesen pädagogischen Vortragszyklus betreffen. Außerdem arbeitet insbesondere Christof Wiechert seit etwa zwei Jahren an einer Überarbeitung der Konferenzen. Auch hier wird es rechtzeitig vor 2019 eine neue Auflage im Rudolf-Steiner-Verlag geben.
Die Geschichte der Waldorfschulbewegung wird von drei unabhängig arbeitenden Kollegen untersucht, die alle vonseiten der Pädagogischen Forschungsstelle unterstützt werden. Thomas Zradzil bearbeitet in seinem Projekt die Grundlegung der Waldorfpädagogik aus heutiger Sicht. Dabei geht es um die Zeit, in der Rudolf Steiner als Schulleiter dabei war.
Die Forschung von Volker Frielingsdorf zur Geschichte der Waldorfpädagogik im deutschsprachigen Raum verfolgt das Ziel, sowohl interne als auch externe Leser anzusprechen, indem sie die Entwicklung der Waldorfpädagogik von der Gründung bis zur Gegenwart darstellt. Die Ausführungen von Nana Göbel zur weltweiten Entwicklung der Waldorfpädagogik werden die Entwicklungen in den politischen und historischen Kontext der jeweiligen Länder einordnen und das Engagement der Schulbewegung in den einzelnen Ländern schildern. In dreifacher Hinsicht wird so zum Jubiläum die Geschichte der Waldorfschulbewegung zum Leben erweckt.
Die weiteren Forschungs- und Publikationsprojekte zielen auf spezifische Besonderheiten der Waldorfpädagogik, den ästhetischen, den salutogenetischen und den selbstorganisatorischen Ansatz der Waldorfschule. Weiterhin wird es ein Handbuch zur Didaktik der Oberstufe geben und eine gründliche und umfassende Faktensammlung zu den Schulen weltweit. Man kann sich vorstellen, dass dieses anspruchsvolle Programm die Mitarbeiter der Pädagogischen Forschungsstelle in Atem hält.
Aus dem Graduiertenkolleg gibt es zu berichten, dass inzwischen schon die erste Promotion eines Doktoranden aus Stuttgart, der in Rostock promoviert, kurz vor dem Abschluss steht. Die Kolloquien, die den Promovierenden zur Vertiefung der Anthroposophie und Waldorfpädagogik als Ergänzung ihrer Studien dienen, werden sehr gut angenommen.
Das Handbuch Waldorfpädagogik und Erziehungswissenschaft, herausgegeben von Jost Schieren, ist auch außerhalb der Schulbewegung im universitären Rahmen auf eine gute Resonanz gestoßen. Der Beltz-Juventa-Verlag ist mit den Verkaufszahlen dieses grundlegenden Werkes sehr zufrieden. Teilbeiträge werden bald einzeln beziehbar sein.
Im letzten Bericht wurde vom Abschluss der Überarbeitung des sogenannten Richter-Lehrplanes berichtet. Zu diesem Werk, an dem etwa 80 Kolleginnen und Kollegen mitgearbeitet haben, gab es ebenfalls sehr gute Rückmeldungen. Insbesondere erreichen die Forschungsstelle immer wieder Anfragen, dieses Buch in verschiedene Sprachen zu übersetzen.
In einem umfangreicheren Projekt wird die Übersetzung ins Englische nun angegangen. Dabei erhält der Übersetzer Norman Skillen durch einen kleinen Beirat und durch Tobias Richter selbst Unterstützung. Es stellt eine Herausforderung dar, den Lehrplan so zu übersetzen, dass er nicht die kulturelle Vielfalt in den Waldorfschulen der Welt möglicherweise einschränkt. Schließlich ist er für den deutschsprachigen Raum in Europa geschrieben worden. Ziel der Übersetzung ist es, den Kollegien in der Welt eine Orientierung zu geben, welcher Stoff für die Entwicklungsphasen der Kinder ausgewählt werden kann. Das Beratungsteam und der Übersetzer sind sich der Gefahren eines sogenannten Kulturkolonialismus durchaus bewusst.
Christian Boettger, Leiter der Pädagogischen Forschungsstelle
Aktuelle Entwicklung der Waldorfpädagogik im neuen Lehrplan sichtbar
Aus der breiten Fächerung der Aufgabenstellungen und Projekte der Pädagogischen Forschungsstelle soll in diesem Bericht auf drei ausgewählte Projekte näher eingegangen werden: das Graduiertenkolleg, das Handbuch Waldorfpädagogik und Erziehungswissenschaft und die Überarbeitung des Waldorf-Lehrplans, der als „Richter-Lehrplan“ bekannt ist.
Das Graduiertenkolleg hat inzwischen seine Arbeit aufgenommen. Aus einer Vielzahl von Bewerbern konnten bis jetzt vier Stipendiaten ausgewählt werden, bei weiteren läuft das Bewerbungsverfahren noch. Die Forschungsthemen sind sehr breit gefächert, sie reichen von „Theorie und Bildung der pädagogischen Intuition“, über zwei Themen aus dem Bereich der Oberstufe und des Literaturunterrichts bis hin zu einer Arbeit im Bereich Kleinkindpädagogik.
Weiterhin wurde auch schon mit dem Studienprogramm begonnen, das die Stipendiaten ergänzend zu ihren Forschungsarbeiten besuchen. Bis November 2017 sind sieben Kolloquien für die Graduierten geplant, von denen das erste zum Thema „Geist, Gehirn und Intuition“ schon stattgefunden hat. Die Kolloquien dienen einerseits der Vernetzung der Graduierten untereinander, aber vor allem auch der Horizonterweiterung. Waldorfpädagogik und Anthroposophie sind die zentralen Themenbereiche. Weiterhin findet über die Förderung dieser Forschungsarbeiten eine Vernetzung der Hochschulen statt, denn nur eine Stipendiatin wird direkt von der Alanus Hochschule betreut, die anderen promovieren an öffentlichen Hochschulen.
Inzwischen sind auch die Arbeiten am Handbuch Waldorfpädagogik und Erziehungswissenschaft abgeschlossen. Das Buch mit einem Umfang von etwa 1100 Seiten wird Mitte Oktober im Beltz-Juventa Verlag erscheinen. Im Rahmen einer großen Tagung „Waldorfpädagogik und Erziehungswissenschaft“ vom 20. – 22. Oktober 2016 wird es der Öffentlichkeit vorgestellt. Das Projekt, ursprünglich initiiert von Walter Riethmüller (Hochschule Stuttgart) und Jost Schieren (Alanus Hochschule), der jetzt als Herausgeber fungiert, hat die letzten knapp fünf Jahre viele Kollegen im Rahmen der Forschungsstelle intensiv beschäftigt. In 10 Kolloquien und persönlichen Forschungsarbeiten wurden die Themenbereiche der Erziehungswissenschaften untersucht mit dem Ziel, die Anschlussfähigkeit von Fragestellungen der Waldorfpädagogik zu prüfen und darzustellen.
Nach dem umfassenden Doppelwerk von Volker Frielingsdorf Waldorfpädagogik Kontrovers und Waldorfpädagogik in der Erziehungswissenschaft – ein Überblick aus dem Jahr 2012, das die Entwicklung des Dialogs mit der Erziehungswissenschaft beschreibt, wurden in dem neuen Werk vor allem theoretische Grundlagen im wissenschaftlichen Kontext eingearbeitet. Damit trägt das Buch auch den vorgebrachten Kritiken an der Waldorfpädagogik Rechnung. Seit Jahren gibt es einen Austausch eines Kreises von Waldorfpädagogen mit interessierten Erziehungswissenschaftlern, der auf gegenseitiger Wertschätzung beruht. Das Bild, das man voneinander hat und die Reaktionen sind heute viel differenzierter, als sie es vor zehn Jahren noch waren.
Trotzdem stellt die Arbeit an dem neuen Buch nur einen Zwischenschritt dar. Es zeigt sich, dass es von Seiten der Waldorfpädagogik keinen ausreichenden Pool an Wissenschaftlern gibt, die – mit entsprechender Zeit und finanziellen Mitteln ausgestattet – wirklich wissenschaftlich arbeiten können. Aus der Sicht der Pädagogischen Forschungsstelle sind dafür zwei Gründe ausschlaggebend: Es gibt zu wenig wissenschaftlichen Nachwuchs in der Waldorfschulbewegung. Wenn man einmal in einer Waldorfschule Fuß gefasst und die Arbeit mit den Kindern und Jugendlichen schätzen gelernt hat, wechselt man nicht gerne in die Forschung.
Zum zweiten wird die Finanzierung von Forschung fast ausschließlich durch die in den Schulen selbst akquirierten Mittel getragen. Es gibt zwar inzwischen zwei Hochschulen, in denen Lehrerausbildung und Forschung betrieben werden, aber auch hier sind die Forschungsmittel im Vergleich zu den Mitteln öffentlicher Forschungseinrichtungen äußerst gering. Das oben beschriebene Graduiertenkolleg kann ein erster Schritt sein, dem beschriebenen Notstand abzuhelfen.
Die Überarbeitung von Pädagogischer Auftrag und Unterrichtsziele – vom Lehrplan der Waldorfschule (herausgegeben durch Tobias Richter) wurde abgeschlossen. Letztlich waren ca. 80 Autoren an der Entstehung der teilweise ganz neuen, teilweise grundlegend überarbeiteten Texte beteiligt. 100 Seiten sind zusätzlich entstanden, so dass das Werk jetzt ca. 700 Seiten umfasst.
Bei der Überarbeitung wurde darauf Wert gelegt, den Umfang so wenig wie möglich zu vergrößern z. B. durch die Einführung von sog. Gestaltungsfeldern. Das sind Fächer, die entweder selten oder sehr unterschiedlich an den Schulen realisiert werden. Über diese Fächer findet sich nur ein kurzer Abriss im Buch. Weitere Ausführungen können im entsprechenden Abschnitt der Homepage der Pädagogischen Forschungsstelle nachgelesen werden. (siehe unten) Im Gegenzug dazu wurden etablierte Fächer teilweise ausführlicher dargestellt als in der alten Ausgabe. Dazu gehören z. B. Sozialkunde und der Fachbereich Technologie – Computerkunde. Dem Kapitel zur Eurythmie wurde mehr Raum gegeben, da dieses Fach nicht über den gleichen Bekanntheitsgrad verfügt, wie diejenigen Fächer, die auch an staatlichen Schulen unterrichtet werden. An verschiedenen, Stellen wird dezidiert darauf hingewiesen, dass der Lehrplan keinen Vorschriftcharakter haben soll. Häufig wird ein Spektrum von Unterrichtsinhalten darstellt, die mit der altersgemäßen Entwicklung der Schülerinnen und Schüler korrespondieren. Aus ihm kann der Lehrer dann auswählen, was für seine Klasse geeignet erscheint.
Insgesamt kann der überarbeitete Lehrplan als eine Zeitaufnahme dessen angesehen werden, was sich im Fächerkanon der Waldorfschulen aktuell etabliert hat. Um auf Entwicklungen in der Zukunft eingehen zu können, wurden zum Buch auch Inhalte im Internet bereitgestellt. Mit einem vierstelligen Code gelangt der Lehrplanleser oder die Lehrplanleserin über www.lehrplan-waldorf.de zu den ergänzenden Inhalten auf der Homepage. Zu jedem Fach wird hier – ständig aktualisiert – weiterführende Literatur vorgestellt, es werden etablierte Alternativen zu den Ausführungen im Buch aufgezeigt oder andere inhaltliche Ergänzungen angeboten.
Die Projekte der Pädagogischen Forschungsstelle in den nächsten Jahren sollen – neben den Publikationen, die direkt die Arbeit an den Schulen unterstützen – insbesondere Forschungsarbeiten dienen, in denen im Hinblick auf das 100-jährige Jubiläum der Waldorfpädagogik gearbeitet wird. Dabei geht es zum einen darum, die Geschichte der Waldorfpädagogik aus verschiedenen Perspektiven zu beleuchten. Außerdem wird an einer neuen Darstellung der pädagogischen Grundlagen gearbeitet, die Rudolf Steiner vor 100 Jahren mit seinen Vorträgen und Konferenzen in der ersten Waldorfschule gelegt hat.
Christian Boettger, Geschäftsführer beim BdFWS
Alexander Hassenstein, Mitarbeiter der Pädagogischen Forschungsstelle
Forschung im Dienst der Qualitätssicherung
Über 300 Forschungsprojekte sind von der Pädagogischen Forschungsstelle beim BdFWS in den letzten zehn Jahren an ihren beiden Standorten Stuttgart und Kassel betreut worden. Dies geht aus ihrem Tätigkeitsbericht hervor. (siehe auch Lehrerrundbrief Nr.102 vom März 2015)
Die durchschnittliche Dauer der 318 Projekte lag danach bei rund 3,3 Jahren. Dabei gibt es Projekte, die nur wenige Monate in Anspruch genommen haben und andere, die über 10 Jahre gelaufen sind, ehe sie abgeschlossen wurden. Insgesamt kann man sieben verschiedene Typen von Projekten unterscheiden:
- Reine Buchprojekte
- Projekte mit methodisch didaktischen Themen
- Empirische Forschung
- Menschenkundliche Themen
- Waldorfpädagogik und Erziehungswissenschaften
- der eigene Unterricht
- sonstige Forschungsthemen
Forschung zur Waldorfpädagogik ist ein ständig wachsendes Feld, es trägt zur Qualitätsentwicklung der Waldorfpädagogik bei und auch zur Öffentlichkeitsarbeit über Waldorfthemen.
Es hat sich in den letzten Jahren gezeigt, dass durch die wissenschaftlichen Anfragen eine deutliche Vertiefung vieler Themen erreicht werden konnte, die aber auch mit einer deutlichen Steigerung der einzusetzenden finanziellen Mittel Hand in Hand ging. Zusätzlich ist zu bemerken, dass Forschung zunehmend von den tätigen Lehrern nicht neben ihrer Unterrichtstätigkeit in der Freizeit möglich ist, sondern durch Teilfreistellungen oder Deputatserlass finanziert werden muss. Dies führt auch zu einem höheren finanziellen Aufwand. Deutlich wurde außerdem, dass in den letzten Jahren durch die Entwicklung der Hochschulen im Waldorfbereich zusätzliche Forschungsanfragen gestellt werden, die nicht allein durch die Schulbewegung finanziert werden können. In der Mitgliederversammlung im März 2015 wurde der Beitrag für die Forschungsstelle erstmals seit über 10 Jahren um einen Euro pro Schüler erhöht. Die Mitarbeiter der Forschungsstelle sind für diese Erhöhung sehr dankbar. Sie ermöglicht es, neben den Forschungsanstrengungen für das einhundertjährige Jubiläum der Waldorfschulen im Jahr 2019 weitere Forschungsprojekte zu fördern.
Durch eine intensive Zusammenarbeit mit der Software AG Stiftung, der Alanus-Hochschule und der Hans Stockmar GmbH konnte jetzt die Einrichtung eines Graduiertenkollegs mit einer Fördersumme von zwei Millionen Euro erreicht werden. In der Presseerklärung zu diesem Projekt verdeutlichte Jost Schieren, Professor für Schulpädagogik mit dem Schwerpunkt Waldorfpädagogik und Leiter des Graduiertenkollegs:
„National wie international steht die systematische Erforschung und innovative Weiterentwicklung der Waldorfpädagogik aus. Das Graduiertenkolleg soll hierzu einen Beitrag leisten und ist damit als Meilenstein auf dem Weg der wissenschaftlichen Etablierung der Waldorfpädagogik zu betrachten.“
Zentrales Anliegen des Kollegs ist die systematische Erforschung und Weiterentwicklung der Waldorfpädagogik in Theorie und Praxis. Dazu bietet das Kolleg ein umfassendes Forschungs- und Qualifizierungsprogramm. Bis zu zehn Promotionsstipendien werden für einen Zeitraum von drei Jahren ausgeschrieben. Ein Kollegium mit Betreuern der Doktoranden aus öffentlichen Hochschulen wurde bereits zusammengestellt, die ersten Stipendien sollen zum Frühjahr 2016 vergeben werden.
Das große Projekt einer Überarbeitung des Buches „Pädagogischer Auftrag und Unterrichtsziele – vom Lehrplan der Waldorfschule“ (herausgegeben durch Tobias Richter) konnte dank der Zusammenarbeit von über 80 tätigen Kollegen vorangebracht werden. Verantwortet wird die Arbeit von einer Gruppe, zu der Tobias Richter, Michael Zech, Claus Peter Röh, Alexander Hassenstein und Christian Boettger gehören.
Das Erscheinungsbild der Pädagogischen Forschungsstelle hat sich im Laufe des Schuljahres 2014/15 deutlich verändert. Die neue Homepage (www.forschung-waldorf.de), die insbesondere Alexander Hassenstein entwickelt hat, ermöglicht es, alle Publikationen der Forschungsstelle gezielt zu suchen und eventuelle Ergänzungsliteratur oder Autoreninformationen zu beziehen. Die Homepage ist seit Anfang 2015 online und wird rege genutzt. Weiterhin können Forscher und Interessierte hier zeitnah Informationen zu allen laufenden und abgeschlossenen Projekten beziehen.
Das Gesamtverzeichnis der Publikationen wurde vollkommen überarbeitet und neu gestaltet. Alle Neuerscheinungen erscheinen nun auf den ersten Seiten des Verzeichnisses mit einem ausführlicheren Text und einem Autorenporträt.
Bei der Mitgliederversammlung im November 2014 wurde intensiv für die sogenannte „standing order“ geworben. Schulen, die hier einsteigen, erhalten die aktuellen Publikationen der Forschungsstelle direkt zugeschickt. Aus den Rückmeldungen, die uns bis jetzt erreicht haben, kann man eine hohe Zufriedenheit der Kolleginnen und Kollegen in den Schulen ablesen, die auf diese Weise direkt sehen, welche neuen Bücher eventuell auch ihren Unterricht unterstützen könnten.
Aus den neuesten Produktionen des zurückliegenden Schuljahres seien zwei Bücher hervorgehoben: „Sein oder Nichtsein“ von Helga Daniel: und „Medien und Pädagogik“ von Prof. Edwin Hübner. Helga Daniel zeigt in diesem dritten Band zur pädagogischen Eurythmie ein umfassendes Bild der Jugendlichen der Oberstufe von der 9. bis 12. Klasse und beschreibt detailliert viele Unterrichtsbeispiele. Prof. Edwin Hübner legt mit seinem umfassenden Buch einen Lehrplan zur Medienkunde an Waldorfschulen vor.
Christian Boettger und Alexander Hassenstein, Pädagogische Forschungsstelle
Verstärkte Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses
Die Forschungsaufgaben im BdFWS und in der Pädagogischen Forschungsstelle (PäFo) sind sehr breit gefächert. Neben vielen anderen Projekten haben der Vorstand und der Beirat der PäFo nun entschieden, ein Graduiertenkolleg einzurichten, das insbesondere das Ziel verfolgen soll, den wissenschaftlichen Nachwuchs im Bereich der Waldorfpädagogik zu sichern. Es ist geplant, das Kolleg im Lauf des Jahres 2015 zu starten, wenn alle organisatorischen und rechtlichen Fragen geklärt sind.
In den Berichten der letzten Jahre wurde insbesondere auf die erziehungswissenschaftliche Forschung geschaut. Hier sind im Rahmen der PäFo wegweisende Publikationen entstanden wie die Studie von Volker Frielingsdorf Waldorfpädagogik in der Erziehungswissenschaft (Beltz-Juventa Verlag 2012). In diesem Zusammenhang ist erneut über das laufende Projekt der Alanus-Hochschule zu berichten, das in Kooperation mit der Freien Hochschule Stuttgart unter der Federführung von Prof. Jost Schieren und Walter Riethmüller durchgeführt wird. Im Laufe des Jahres wurden drei Forschungskolloquien veranstaltet bei denen Ansätze für den Dialog mit der akademischen Erziehungswissenschaft erarbeitet wurden. Auch daraus soll eine Publikation entstehen.
In diesem Bericht soll insbesondere ein Forschungsprojekt hervorgehoben werden, das direkt mit dem Unterricht zu tun hat. Die Studie mit dem Titel: Den eigenen Eurythmieunterricht erforschen wurde von Stefan Hasler und Charlotte Heinritz herausgegeben. Sieben erfahrene EurythmielehrerInnen haben in diesem Buch ihren eigenen Unterricht einer kritischen Analyse unterzogen und sich unter Anleitung eines Begleitteams Forschungsfragen gestellt, um mit diesem Ansatz ihren eigenen Unterricht weiterzuentwickeln.
In Buchbesprechungen wurde dieses Projekt als beispielhaft gewürdigt, Christof Wiechert schreibt zum Beispiel in der Info 3 von Juli/August 2014 dazu: „Wesentlich scheint mir zu sein, dass erfahrene Kollegen es wagen, die eigene Berufsausübung öffentlich infrage zu stellen und einen nachvollziehbaren Weg der Änderbarkeit einzuschlagen. Das verdient Hochachtung und macht diese Dokumentation bedeutend, zum Nachlesen wie auch als Anregung zum eigenen Forschen. Es ist eine moderne Haltung gegenüber dem Beruf: Identifikation und zugleich Wandelbarkeit. Das ist der Sinn der Praxisforschung – und ist Anthroposophie etwas anderes als Praxisforschung?“
Die von der PäFo geförderte Studie von Anne Abeler zur Schulverpflegung an Waldorfschulen war eines der Themen bei den Veranstaltungen des BdFWS auf der Leipziger Buchmesse im Frühjahr 2014. Diese Veranstaltungen werden immer in Kooperation mit dem Verlag Freies Geistesleben und dem INFO 3/Verlag organisiert. Sogar die Tageszeitung taz berichtete, veranlasst durch die Veranstaltung, sehr ausführlich über die Verpflegung an Waldorfschulen.
Zwei größere Projekte haben die Mitarbeiter der Forschungsstelle in Stuttgart beschäftigt: die Überarbeitung des „Waldorflehrplans“ und die neue Homepage der PäFo. Seit Herbst 2013 wird intensiv an einer Überarbeitung des Buches Pädagogischer Auftrag und Unterrichtsziele – vom Lehrplan der Waldorfschule (herausgegeben durch Tobias Richter) gearbeitet. Eine kleine Steuerungs- und Verantwortungsgruppe bestehend aus Claus Peter Röh, Michael Zech, Alexander Hassenstein, Christian Boettger und Tobias Richter wurde gebildet. Sie erstellte zunächst eine Übersicht der zu überarbeitenden Kapitel und suchte Autoren für die einzelnen Fachbereiche. Dann wurden Hinweise und Richtlinien für die Überarbeitung ausgearbeitet, damit das Gesamtwerk eine übersichtlichere und einheitlichere Form bekommen kann. Diese große Überarbeitung des „Waldorf-Lehrplans“ war fällig, weil nach der dritten Auflage in einer kaum überarbeiteten Fassung einige Bereiche nicht mehr der gelebten Praxis entsprechen.
Sowohl die Verantwortungsgruppe als auch der Herausgeber Tobias Richter sind sich im Klaren darüber, dass die Gefahr besteht, dass eine solche Publikation immer wieder wie ein normatives Werk verstanden wird. Dieses soll es aber ausdrücklich nicht sein. Nur auf der Basis der eigenen Autonomie und Verantwortung werden WaldorflehrerInnen ihren Stoff immer wieder neu schöpfen und Kinder und Jugendliche zu einem Weltinteresse anregen können. Die Sammlung versteht sich so als Angebot und Austausch von möglichen Unterrichtsthemen, die sich bewährt haben.
Neben dem „Lehrplan“ in Buchform wird es auf der neu gestalteten Homepage der PäFo aktuelle Publikationen zu den einzelnen Fächern und Kapiteln, Fortbildungsangebote und teilweise auch Unterrichtskonzepte oder Diskussions- und Austauschforen geben. Über einen einfachen Zahlencode soll das Buch- mit dem Internetangebot verlinkt werden. Das PäFo-Team beabsichtigt, das Buchangebot so aktueller zu halten und vor allem die in den Schulen arbeitenden KollegInnen mit zusätzlichem Material unterstützen zu können. Dazu ist auch eine intensive Zusammenarbeit mit der Plattform für die internationale Schulbewegung der Pädagogischen Sektion (www.waldorf-resources.org) vereinbart.
Außerdem wird es auf der neuen Homepage, die insbesondere von Alexander Hassenstein entwickelt wurde, zeitnah Informationen zu allen laufenden und abgeschlossenen Projekten und zu den Publikationen der Forschungsstelle geben.
Christian Boettger, Geschäftsführer der Pädagogischen Forschungsstelle
Forschung blickt auf „100 Jahre Waldorfpädagogik“
Dialog und Forschung über Waldorfpädagogik zu fördern, ist eine der Aufgaben der Pädagogischen Forschungsstelle (PäFo) beim BdFWS. Dazu werden Bücher herausgegeben und Forschungsprojekte unterstützt, die unmittelbar den Waldorfschulen und ihren Lehrern zugutekommen. 50 solcher Projekte werden jährlich bearbeitet, die Hälfte davon mündet in Buchpublikationen. Außerdem unterstützt und veranstaltet die PäFo Fortbildungsveranstaltungen für Waldorflehrer und gibt Materialien für die Unterrichtsvorbereitung heraus.
Ein Beispiel für ein gefördertes Werk, das derzeit auf viel positive Resonanz stößt, ist das Buch von Dr. Volker Frielingsdorf Waldorfpädagogik und Erziehungswissenschaft, das im Herbst 2012 im Beltz Juventa Verlag erschienen ist. Derselbe Autor hatte im Frühjahr zuvor dort auch den Reader Waldorfpädagogik kontrovers herausgebracht. Dr. Gerhard Herz schreibt in seiner detaillierten und profunden Rezension dazu:
„So kann man dieses Buch auch als eine Geschichte der Waldorfpädagogik bzw. der Auseinandersetzung um ihr Konzept lesen, als eine spannende Darstellung der Vielfalt, der Fruchtbarkeit und der Entwicklungslinien dieses pädagogischen Konzepts. Für alle, die beruflich mit der Situation dieses Ansatzes innerhalb der Pädagogik zu tun haben, Lehrende und Forschende in den Lehrerseminaren und anthroposophischen Hochschulen, vor allem aber in den erziehungswissenschaftlichen Fakultäten, gehört es zur Pflichtlektüre, weil es eine so umfassende Sammlung und Aufarbeitung der Waldorfpädagogik in der Erziehungswissenschaft bisher nicht gab. Darauf kann der nötige Dialog zwischen Waldorfpädagogik und Erziehungswissenschaft aufbauen und sie kann ein fruchtbarer Ausgangspunkt für zukünftige Forschung sein.“
Das Buch wurde als Forschungsprojekt insbesondere durch die Initiative von Prof. Wenzel Götte auf den Weg gebracht. Es dient weniger dazu, die Vergangenheit aufzuarbeiten, sondern soll mithelfen, Brücken zu bauen und die Waldorfpädagogik anregen, verstärkt an ihrem Profil zu arbeiten. Dies wird auch von Gerhard Herz angemerkt, wenn er schreibt:
„Aus Frielingsdorfs Arbeit kann man die Folgerung ziehen, dass eher eine Phase verstärkter Profilbildung ansteht, in der sich zeigen kann, ob es sich wirklich nur um ein Spielart der Reformpädagogik handelt und damit ein nettes Nischenprodukt ist oder ob nicht das, was Steiner für den Lehrplan wünschte, dass er für jedes Kind originär geschöpft wird, auch hier noch aussteht, weil sich die einerseits beschworenen, andererseits als unwissenschaftlich belächelten Kräfte der pädagogischen Imagination, Inspiration und Intuition als fruchtbar erweisen.“
In mehreren Vorträgen insbesondere an der Alanus Hochschule und der Stuttgarter Hochschule konnte Frielingsdorf die Ergebnisse seiner Forschungen über den manchmal schwierigen Dialog zwischen Vertretern der Erziehungswissenschaften mit der Waldorfpädagogik vor Studenten darstellen. Gerade für die Studierenden ist das Buch von besonderem Wert, da seine klare Gliederung den schnellen Zugriff auf spezielle Fragestellungen ermöglicht.
Ein großer Schwerpunkt der Forschungsstelle lag in der Fortsetzung des Projekts von Prof. Jost Schieren (Alanus Hochschule) und Walter Riethmüller (Seminar für Waldorfpädagogik Berlin). Hier wird in Forschungskolloquien an Ansätzen für einen fruchtbaren Dialog mit den Erziehungswissenschaften auf verschiedenen Gebieten gearbeitet. Nachdem im Schuljahr 2011/12 Anthropologie, Epistemologie und Entwicklungspsychologie bearbeitet wurden, widmete man sich 2012/13 der Didaktik und der historischen Verortung der Waldorfpädagogik in der Reformpädagogik. Aus der Arbeit der Kolloquien wird ebenfalls eine Publikation entstehen, voraussichtlich 2015.
Im Vorblick auf das Jahr 2019 und den einhundertsten Geburtstag der Waldorfpädagogik hat sich außerdem eine Arbeitsgruppe mit der Frage beschäftigt, welche Grundlagen von Seiten der Forschung für dieses Jubiläum bereit gestellt werden müssen. Dazu sind inzwischen einige größere Forschungsaufträge vergeben worden: Unter anderem wird eine Geschichte der Waldorfpädagogik entstehen, die sowohl die Entwicklung im deutschsprachigen Raum als auch die weltweite Entwicklung darstellen wird. Außerdem wird eine fundierte Aufarbeitung der Konferenzen der Lehrer mit Rudolf Steiner vorgenommen und eine Darstellung der Impulse der ersten sechs Jahre Waldorfpädagogik aus heutiger Sicht versucht.
Neben den Projekten, die den Dialog mit der Erziehungswissenschaft fördern sollen, gibt es in der Pädagogischen Forschungsstelle auch eine größere Zahl von Projekten, die sich entweder um methodische, didaktische oder inhaltliche Themen aus einzelnen Fächern bemühen oder allgemein die Arbeit der Kollegen an den Schulen unterstützen sollen. Als Beispiel soll ein größeres Projekt zur Eurythmiepädagogik kurz erwähnt werden, das unter der Federführung von Prof. Stefan Hasler von der Alanus Hochschule durchgeführt wird. An ihm war auch Prof. Charlotte Heinritz beteiligt, die im Juli 2013 verstorben ist. In dem ersten Projektteil, der im Frühjahr 2014 als Buch erscheinen wird, haben sieben Eurythmiepädagogen ihren eigenen Unterricht unter selbst gewählten Fragestellungen Praxisforschung betrieben.
Die Erfahrungen, die dabei gemacht wurden, waren Inhalt eines größeren Kolloquiums im September 2012 und eines Berichts auf der Mitgliederversammlung der Pädagogischen Forschungsstelle im November 2012. Es war unmittelbar feststellbar, wie intensiv sich durch diese Arbeit die Qualität des Unterrichts verändert hat und die SchülerInnen deutlich engagierter eingestiegen sind. Allen Beteiligten wurde sehr deutlich, dass hier im Fachbereich Eurythmie etwas probiert wurde, was im Grunde auf alle Fächer übertragbar ist.
Unter den weiteren Publikationen der Forschungsstelle, die in diesem Jahr neben den schon erwähnten herausgekommen sind, ist insbesondere das Buch Trau deinen Augen (Hrsg. Wolfgang M. Auer) zu erwähnen. Es beleuchtet in einer Reihe von Beiträgen von Waldorflehrern und –dozenten die Themen der Kunstbetrachtungsepochen der vier Oberstufenklassen in vielen Dimensionen.
Auf der Leipziger Buchmesse, wo die PäFo seit drei Jahren an den Foren für Lehrerfortbildungen beteiligt ist, wurde dieses Buch bei einer Veranstaltung mit Autorin Gabriele Hiller vorgestellt. Ein weiteres Forum auf der Messe befasste sich mit dem Geschichtsunterricht an der Waldorfschule. Mitautor Thomas Voss stellte hier das Buch Göbekli Tepe vor, das sich mit der Sesshaftwerdung der Menschheit beschäftigt. Mitautoren sind Sibylla Hesse und Michael Zech. (siehe dazu auch Text S. – hier kommt die PI mit dem Foto hin -) In dieser Reihe zu den Geschichtsepochen der Waldorfschule (insbes. 10. Klasse) mit dem Titel Gestalten und Entdecken ist jetzt ein weiteres Buch erschienen, das den Bewusstseinswandel des Menschen vom Paläolithikum zum Neolithikum beleuchtet. Autor ist Martyn Rawson.
Christian Boettger, Geschäftsführer des BdFWS
Neue Publikationen sollen Dialog mit der Erziehungswissenschaft fördern
Die Pädagogische Forschungsstelle beim Bund der Freien Waldorfschulen (BdFW) hat die Aufgabe, Dialog und Forschung über Waldorfpädagogik zu fördern. Außerdem ist die Forschungsstelle für viele Fortbildungsveranstaltungen des BdFW zuständig. Im Schuljahr 2011/12 wurden zwei wichtige Projekte gefördert, die den Dialog mit der akademischen Erziehungswissenschaft auf eine bessere Grundlage stellen sollen.
Dabei handelt es sich um zwei Arbeiten von Dr. Volker Frielingsdorf, einmal den Reader Waldorfpädagogik kontrovers und den Forschungsbericht Waldorfpädagogik in der Erziehungswissenschaft. Der Reader mit insgesamt 33 Aufsätzen oder Buchauszügen namhafter Erziehungswissenschaftler ist im März 2012 bereits im Beltz-Juventa Verlag erschienen. Jedem der Texte ist eine knappe Hinführung zu dem entsprechenden Autor und seinem Werk vorangestellt, um vor allem Pädagogikstudenten die Orientierung zu erleichtern und sie zu motivieren, sich noch genauer mit dem Autor zu beschäftigen. Grundlage der Auswahl waren über 400 Texte oder Bücher.
Die Resonanz auf dieses Buch ist äußerst positiv, es wird von Seiten der akademischen Pädagogik begrüßt, dass die Forschungsstelle sich damit befasst, wie Theorie und Praxis der Waldorfpädagogik in der erziehungswissenschaftlichen Kommunikation aufgenommen werden. So schreibt z.B. Prof. Dr. Otto Hansmann von der pädagogischen Fakultät der Universität Bayreuth, der Reader dokumentiere diesen Prozess bis zum aktuellen Stand „eindrucksvoll und überzeugend“.
Der Forschungsbericht Waldorfpädagogik in der Erziehungswissenschaft von Dr. Volker Frielingsdorf ist in einer vierjährigen Forschungsarbeit entstanden und erscheint im Herbst 2012 ebenfalls im Beltz-Juventa Verlag. Er enthält einen chronologischen Abriss zum Dialog zwischen Waldorfpädagogik und Erziehungswissenschaften. In drei weiteren Kapiteln werden grundsätzliche Fragen anthroposophischer Pädagogik, die methodisch-didaktischen Grundlagen der Waldorfpädagogik und die Waldorfschulen im gesellschaftspolitischen Umfeld thematisiert. Die Schlusskapitel widmen sich Tendenzen und Desiderata der Forschung über Waldorfpädagogik. Das Projekt wurde von Prof. Dr. Wenzel Michael Götte, dem jetzt emeritierten Leiter der Freien Hochschule Stuttgart auf den Weg gebracht und intensiv begleitet. Ziel des Autors und der Pädagogischen Forschungsstelle ist es, mehr Unbefangenheit im Umgang mit den von Rudolf Steiner formulierten Grundlagen der Waldorfpädagogik zu schaffen – auch auf Seiten der akademischen Pädagogik.
Beide Publikationen sollen außerdem als Grundlage für das hochschul- und seminarübergreifende Forschungsprojekt zu aktuellen Fragen des erziehungs-wissenschaftlichen Dialogs dienen, das von Prof. Jost Schieren (Alanus Hochschule) und Walter Riethmüller (Dozent an der Freien Hochschule Stuttgart) initiiert worden ist. In diesem Rahmen befassten sich bereits drei Forschungskolloquien mit Ansätzen für einen möglichen Dialog innerhalb der Gebiete Anthropologie, Epistemologie und Entwicklungspsychologie. Für die nächsten zwei Jahre ist die Aufarbeitung weiterer Themengebiete geplant, nach den Treffen sollen Ausarbeitungen dazu entstehen.
Von den Neuerscheinungen der Pädagogischen Forschungsstelle seien hier beispielhaft die folgenden Publikationen erwähnt:
Rahel Uhlenhoff (Hrsg.): Anthroposophie in Geschichte und Gegenwart. Berliner Wissenschaftsverlag, Berlin 2011
Das Buch wurde im November 2011 im Rahmen einer Feierlichkeit zum 150. Geburtstag von Rudolf Steiner und zum 120. Jahrestag seiner Dissertation „Wahrheit und Wissenschaft“ an der Universität Rostock vorgestellt. Neben Heinrich Schliemann wird Rudolf Steiner zu den bekanntesten Promovenden dieser Universität gezählt.
Ulrich Wunderlin: Lehrbuch der phänomenologischen Chemie Band 1 und 2. Edition Waldorf, Stuttgart 2011 und 2012 (mit 3 DVDs)
In Band 1 werden die Epochen der 7., 8. und 9. Klasse mit allen möglichen Experimenten und vielen Ausblicken auf chemische Prozesse im Alltag und in der Natur bearbeitet. Auf den DVDs sind alle Versuche in kleinen Filmsequenzen zu sehen. Die Versuchsreihen bauen auf die von M. v. Mackensen, W. Schad und E. M. Kranich herausgearbeiteten Versuche für die Mittelstufe auf und bieten Klassenlehrern und Chemielehrern einen modernen und phänomenologisch fundierten Zugang zu den Epochen. Gleichzeitig ist das Buch auch für die Schüler selbst konzipiert. Es ermöglicht ihnen ein selbstständiges Nacharbeiten und Vertiefen der Themengebiete. In Band 2, der 2012 erscheint, werden die Chemieepochen der Klassen 10, 11 und 12 behandelt.
Band 1 diente bei der Buchmesse in Leipzig 2012 als Basis für eine Veranstaltung des BdFWS mit Autor Dr. Ulrich Wunderlin im Rahmen der Lehrerfortbildung der Messe.
Seit langem wurden schon die methodisch-didaktischen Hefte zum Fremdsprachenunterricht in der Waldorfschule erwartet. Sie kamen im September 2011 heraus. Es können bis jetzt die Themen Lektüre in der Mittelstufe (Heft 1), Wortschatzarbeit (Heft 2) und Technik des Übens (Heft 3) bestellt werden. Bei einer entsprechenden Nachfrage sollen weitere Themen bearbeitet und herausgegeben werden.
In der Reihe zum Geschichtsunterricht in der 10. Klasse ist das Buch Göbekli Tepe und der Prozess der Sesshaftwerdung von Sibylla Hesse, Thomas Voß und Michael Zech herausgekommen. Es zeigt in sehr eindrücklicher Weise, wie man den Methoden der modernen Archäologie folgen und gleichzeitig die Hinweise Rudolf Steiner einbeziehen und so zu spannenden Schlussfolgerungen über die Entwicklung der Menschheit kommen kann.
Das neue Buch von Astrid Lütje, Motive aus Ostasien unterstützt den Kulturkundeunterricht der 12. Klasse. Hermann Rieth zeigt in seinem Buch zum Hausbau mit Kindern sehr fachkompetent alle Grundlagen des Bauhandwerks und stellt einen idealen Begleiter zu den Epochen in der 3. Klasse dar. Kompetenznachweis und Lernbegleitung in Waldorfschulen sowie dem EPC-Handbuch zum Europäischen Abschlussportfolio sind zwei weitere Neuerscheinungen von Frank de Vries und Thilo Koch.
Christian Boettger, Geschäftsführer des BdFWS
Prof. Zanders Opum Magnum zur Anthroposophie bekommt Konkurrenz
Die Pädagogische Forschungsstelle beim Bund der Freien Waldorfschulen (BdFW) versteht sich als Einrichtung, die den Dialog über Forschung organisiert und fördert. Zu ihrem Netzwerk gehören Mitarbeiter verschiedener waldorfpädagogischer Einrichtungen z. B. in Kassel, Stuttgart, Mannheim oder auch in Wilton/NH/USA. Beraten und unterstützt werden vor allem Forschungsprojekte, die unmittelbar von den Waldorfschulen und ihren Lehrern verwendet werden können.
In den letzten Jahren wurden pro Jahr etwa 50 Projekte bearbeitet, von denen etwa 20 jeweils neu beschlossen oder beendet worden sind. Ungefähr die Hälfte der Projekte mündete in Buchpublikationen, die über den Internetshop www.waldorfbuch.de zu beziehen sind. Ein Teil der Neuerscheinungen geht auf die Arbeit der Waldorfkollegen im Kasseler Seminar zurück. Die andere Hälfte der Projekte sind Forschungsarbeiten, die sich auf pädagogische Grundlagenthemen, auf methodisch-didaktische Fragestellungen und auf die Lehrmittelherstellung beziehen. Neben diesen Projekten unterstützt die Pädagogische Forschungsstelle viele Fortbildungen des BdFW durch aktive Organisations- oder Seminararbeit; auf den entsprechenden Tagungen ist sie mit Büchertischen präsent.
Im Schuljahr 2010/11 bildeten zwei Projekte einen Schwerpunkt, zum einen die Arbeit am Reader und Forschungsbericht Waldorfpädagogik in der Erziehungswissenschaft, zum andern das von der Autorin Rahel Uhlenhoff verantwortete Projekt Anthroposophie in Geschichte und Gegenwart. Die Herausgabe des Readers mit insgesamt 33 Aufsätzen oder Buchauszügen namhafter Erziehungswissenschaftler wurde abgeschlossen. Er wird noch 2011 im Beltz Verlag erscheinen. Zurzeit laufen die Lektorats- und Layoutarbeiten und die Einholung der Abdruckrechte. Jedem der 33 Quellentexte ist eine knappe Hinführung zu dem jeweiligen Autor und seinem Werk vorangestellt. Das soll insbesondere Pädagogikstudenten und interessierten Lehrern die Orientierung erleichtern und dazu animieren, sich noch genauer mit dem betreffenden Autor zu beschäftigen. Grundlage der Auswahl waren über 400 Texte oder Bücher.
Bei der Auswahl der Autoren wurde Wert darauf gelegt, dass sowohl Befürworter als auch Kritiker der Waldorfpädagogik zu Wort kommen. So entsteht ein nuancenreiches Bild der Waldorfpädagogik. Einseitige Sichtweisen relativieren sich und die teilweise schwer zugänglichen Texte können einen Einblick in die Diskussion um die Waldorfpädagogik in den letzten 50 Jahren vermitteln. Die Pädagogische Forschungsstelle hofft, dass mit dieser Publikation deutlich gemacht wird, dass die Waldorfschulbewegung den Dialog mit der Erziehungswissenschaft sucht und dass sie Fragen, die an ihre Pädagogik gestellt werden, ernst nimmt.
Das zweite große Projekt von Rahel Uhlenhoff wird im Herbst im Berliner Wissenschaftsverlag als ein umfangreiches Buch erscheinen. Seit 2008 arbeiten in diesem Projekt 18 Autoren an Anthroposophie in Geschichte und Gegenwart und wollen versuchen, damit einen Beitrag zum Dialog zwischen akademischer und anthroposophischer Wissenschaft zu leisten. Man kann nun feststellen, dass mit diesem Buch ein großer Schritt gelungen ist und es Akademikern wie auch Laien eine systematische Einführung in die Kontexte, Genese, Idee und Wirkungsgeschichte der anthroposophischen Philosophie und ihrer Praxisfelder bietet.
Das Werk gliedert sich in vier Bereiche. An eine Methodenreflexion im ersten Teil schließt sich im zweiten Teil die Ideengeschichte der Anthroposophie an. Der dritte Teil geht auf das Verhältnis von Theosophie und Anthroposophie und die Geschichte der Anthroposophie von 1900 bis 1990 ein. Der vierte und umfangreichste Teil widmet sich der Entwicklungsgeschichte der Praxisfelder: Kunst, Pädagogik, Heilpädagogik, Medizin und dem Sozialimpuls.
Neben das umfangreiche und viel diskutierte Buch von Prof.Helmut Zander „Anthroposophie in Deutschland“ aus dem Jahr 2007 tritt damit eine zweite umfassende Publikation zum Thema Anthroposophie, die von der akademischen Welt zur Kenntnis genommen werden wird.
Von den Büchern, die im letzten Schuljahr von der Pädagogischen Forschungsstelle herausgegeben wurden, seien hier insbesondere erwähnt (zu den anderen Neuerscheinungen siehe www.waldorfbuch.de):
Prof. Walter Hutter mit dem Buchtitel Mathesis. Der Autor zeigt in diesem Buch eine tiefe menschenkundliche und philosophische Begründung methodischer und didaktischer Fragestellungen aus dem Bereich der Mathematik der Oberstufe.
Ein ganz ähnliches Thema hat Jörg Soetebeer in seinem Buch Selbsttätige Bildungskraft heute aufgegriffen. Anhand der inneren Biographie Friedrich Schillers geht Soetebeer der Frage nach, wie die ideellen Spielräume in Lyrik, Epik, Dramatik und philosophischer Betrachtung letztlich in ein Programm ästhetischer Bildung und Selbstbildung des Menschen münden können.
Ein Bestseller im Programm von waldorfbuch.de war auch die neue DVD Das kreative Universum von Rüdiger Sünner, die insbesondere durch die intensive Mitarbeit von Hansjörg Hofrichter fertig gestellt wurde. Sie wurde im letzten Schuljahr knapp 2000mal gekauft. Bei öffentlichen Kinoaufführungen wurde dieser Film in Berlin und Hamburg gezeigt. Sünner geht darin der Frage nach, inwiefern die interessantesten Querdenker unserer Zeit innerhalb der Naturwissenschaften einen Freiraum für die Annahme des „Göttlichen“, „Heiligen“ oder „Transzendenten“ lassen und was diese Freiräume für unsere Zukunft bedeuten könnten.
Hansjörg Hofrichter widmete sich außerdem der Neuherausgabe des Erstlesebuchs für die Waldorfschulen Der Sonne Licht. Nun liegt dieses Buch als Normal- und als Prachtausgabe in einer überarbeiteten und erweiterten Fassung im Mellinger Verlag vor.
Christian Boettger
Dialog im Vordergrund
Die Pädagogische Forschungsstelle versteht sich als ein Netzwerk von Forschungseinrichtungen in dem die Standorte in Kassel, Stuttgart, Mannheim mit anderen Hochschulen oder Forschungseinrichtungen (Dazu gehören seit langem das Research Institut in den USA und die Alanus Hochschule in Alfter) projektbezogen zusammenarbeiten. Insbesondere berät, fördert, unterstützt und begleitet der Beirat abnehmerrelevante also für die Lehrer und Schulen direkt verwendbare Forschungsleistungen. Insofern dient die Pädagogische Forschungsstelle mehr als „Forschungsdialogstelle“ denn als eine vom Bund der Waldorfschulen betriebene Forschungseinrichtung. Diese Standortbeschreibung ergab sich im Laufe des vergangenen Jahres in einer Beratung mit der Bundeskonferenz und soll am Anfang des kurzen Beitrags zu der Arbeit in diesem Bereich stehen.
Einige Forschungsprojekte
Zurzeit läuft unter anderem ein Projekt zur Waldorfpädagogik in der wissenschaftlichen Forschung. Seminare und Hochschulen benötigen für ihre Studenten einen leicht zugänglichen Überblick über relevante wissenschaftliche Untersuchungen zum Thema Waldorfpädagogik. Im Jahr 2011 werden der Forschungsbericht, ein Reader und eine ausführliche Bibliographie, die in eine leicht zugängliche Datenbank eingearbeitet wird, entstehen. Die Lehrplankommission Geschichte arbeitet an einem kommentierten Literaturverzeichnis für den Unterricht in der Mittelstufe und veröffentlichte 2009 und 2010 mehrer Bücher in der Reihe: „Geschichte gestalten und entdecken“ für den Unterricht in der 10. Klasse (Der Kulturmensch der Urzeit, Die Kelten, Die Durchlichtung der Welt), die aber auch für die Vorbereitung von Klassenlehrerinnen in entsprechenden Themen wertvoll sein können. Im naturwissenschaftlichen Bereich konnten die Kollegen aus Kassel einen Mikrowellendetektor und ein Lehrgerät zur Demonstration der Faxübertragung entwickeln und letzteres patentieren lassen.
Veröffentlichungen
Neben der Begleitung von Forschungsvorhaben sind seit unserem letzten Bericht etwa 25 neue Bücher und Broschüren teilweise in Zusammenarbeit mit dem Verlag Freies Geistesleben erschienen. Einige seien hier besonders erwähnt: Im Bereich der Fremdsprachenlektüren haben wir mit den vier von Natalie Plotkina für Oberstufenklassen bearbeiteten Romanen und Erzählungen russischer Dichter ein sehr ansprechendes Angebot für den Russischunterricht ergänzt. Helga Daniel hat mit ihrem zweiten Buch: Übung macht den Meister wichtige Hinweise für den Eurythmieunterricht in der 5. – 8. Klasse zusammengestellt und damit den Fortsetzungsband zu Bewegt ins Leben geliefert. Sehr glücklich sind wir auch, dass unser Kollege Alexander Stolzenburg im letzten Jahr aus seiner reichen Erfahrung das seit langem erwartetet Buch Projektive Geometrie fertig gestellt hat. Es ist ein sehr anspruchsvolles Buch, das für Mathematiklehrer und Interessierte viele Anregungen gibt dieses für Waldorfschulen ganz besondere Fach zu erweitern und zu vertiefen. Für den Deutsch und Geschichtsinteressierten sei auf das bis jetzt zu wenig beachtete Büchlein: Schillers Geschichtsdramen von Christine Krüger aufmerksam gemacht, in dem sehr spannend beschrieben wird, wie Schiller in dieses Dramen Themen seiner eigenen Biographie und seiner Beschäftigung mit politischen und Gesellschaftlichen Themen künstlerisch dramatisch umgesetzt hat. Und auf das Buch von Holger Grebe: Dem Zeitgeist auf der Spur in dem er mehrere Themen aus dem Oberstufenunterricht in Deutsch und Geschichte in den zeitlichen Kontext stellt. Als ein wirkliches Highlight für den Physikunterricht soll hier die DVD: Monochromatische Schattenstrahlen erwähnt werden, die Prof. Grebe-Ellis in Zusammenarbeit mit Matthias Rang angeregt durch Experimente von Peer Sallström hergestellt hat. Es werden Experimente aufbauend auf Goethes Experimenten Polarität des Spalt und Stabspektrums gezeigt, die in der Schule nur sehr kostenaufwendig aufgebaut werden könnten.
Ganz besonders möchten wir auf das Heft „Waldorfschulbauten im Wandel“ hinweisen, das zeigt, wie sich die Architektur unserer Schulen, die über Jahrzehnte als eines der Alleinstellungsmerkmale galt in den letzten 10 Jahren hin zu transparenten, offenen, Gebäuden entwickelt haben, die in der Regel immer noch eindeutig als Waldorfschulen erkennbar sind. Das Heft zeigt 30 Schulbeispiele aus ganz Deutschland und gibt darüber hinaus einen fundierten Einblick in die Geschichte organischen Bauens.
Mit dem Buch: Ich bin Du, das inzwischen in vielen Waldorfschulen in den Konferenzen bearbeitet wird, gibt Anna Seydel aus ihrer jahrzehntelangen Erfahrungen im Feld der Kinderbesprechungen viele, sehr hilfreiche und praxisnahe Hinweise für Kollegien sich das Feld der vertieften Kindererkenntnis wieder neu zu erarbeiten. Ein Thema das auch zunehmend von Kindergärtnerinnen in ihren Konferenzen bearbeitet wird.
Der Bereich Kindergarten ist durch die öffentliche Diskussion einem starken Wandel unterworfen. Insbesondere die Übergänge vom Kleinstkindesalter zum Kindergarten und vom Kindergarten in die Schule werden in neuen Veröffentlichungen aufgegriffen. Margarete Kaiser veröffentlichte das Buch: Übergang Kindergarten – Schule und ein Arbeitskreis zu diesem Thema legte die Leitlinien 0 – 3 vor, die unsere Reihe der Leitlinien Waldorfpädagogik in diesem Bereich ergänzen.
Und zu guter Letzt sei auf unser neuestes Buch verwiesen, das Malte Schuchardt mit Apollo und Dionysos vorgelegt hat. Er geht dieser Polarität in der bildenden und poetischen Kunst nach und zeigt, wie der Mensch im Spannungsfeld der Polarität sich entwickeln steigern kann. Ein Buch nicht nur für Deutsch und Kunstlehrer der Oberstufe, die entsprechende Epochen in der 11. Klasse geben, sondern auch ein Buch für allgemein und künstlerisch Interessierte Zeitgenossen.
Christian Boettger