Wo steckt unser Ich?

Beiträge zu einer sphärischen Anthropologie

Autoren: Neider, Andreas (Hrsg.) | Seitenanzahl: 94
Verlag: Verlag Freies Geistesleben | Auflage: 1. Auflage 2008

Das Ich geht nicht vom Zentrum aus, sondern von der Peripherie her, von dem, was uns zustößt zu denken, lässt für die Beziehungen von Menschen untereinander völlig neue Perspektiven zu, löst aber auch das bisher feststehende Dogma der Subjekt-Objekt-Spaltung zugunsten einer ökologischen Betrachtung des menschlichen Leibes und des menschlichen Bewusstseins auf.

Die moderne Hirnforschung hat seit der überraschenden Entdeckung der sogenannten Spiegelneurone festgestellt, dass unser Bewusstsein nicht so isoliert von dem Bewusstsein anderer Menschen und von seiner Umgebung überhaupt ist, wie seit Descartes angenommen wurde. Die Neurowissenschaften sprechen seither von einem social brain. Was aber bedeutet das konkret? Diese Frage stellt sich auch die phänomenologische und die philosophische Forschung. Wo befindet sich unser Ich, wenn unser Bewusstsein gar nicht auf die Grenzen unseres Leibes beschränkt ist? Dieser grundlegenden Frage gehen die Beiträge zu einer sphärischen Anthropologie in diesem Buch nach. Ein Verständnis des Menschen im Sinne einer sphärischen Anthropologie kann eine entscheidende Grundlage für die Überwindung der Subjekt-Objekt-Spaltung und damit eines neuen, zukunftweisenden Menschenbildes sein, das besonders für die Pädagogik, aber auch für Medizin und Therapie von großer Bedeutung sein wird.
Und man wird deshalb zu einer besseren Vorstellung über das ‹Ich› erkenntnistheoretisch gelangen, wenn man es nicht innerhalb der Leibesorganisation befindlich vorstellt, und die Eindrücke ihm von außen geben läßt; sondern wenn man das Ich in die Gesetzmäßigkeit der Dinge selbst verlegt, und in der Leibesorganisation nur etwas wie einen Spiegel sieht, welcher das außer dem Leibe liegende Weben des Ich im Transzendenten dem Ich durch die organische Leibestätigkeit zurückspiegelt. (Rudolf Steiner, 1911)