Aufbau diversitätssensibler und rassismuskritischer Lektüren Fach Englisch

Englisch
Fremdsprachen
Mittelstufe
Oberstufe

Projektbeschreibung

Das Forschungsprojekt untersucht die englischen Publikationen der Pädagogischen Forschungsstelle auf Rassismus, Diskriminierung und Diversität. Ziel ist es, Empfehlungen für eine kritische Überarbeitung der Materialien zu entwickeln, um eine vielfältige und reflektierte Darstellung zu fördern. Die Analyse zeigt, dass viele Werke eurozentrische, rassistische und stereotype Inhalte reproduzieren, was die Macht von Sprache und Narrativen verdeutlicht. Es wird betont, wie wichtig eine diskriminierungs- und rassismuskritische Bildungsarbeit ist, um gesellschaftliche Normen zu hinterfragen und vielfältige Perspektiven in den Unterricht zu integrieren.

Detaillierte Projektbeschreibung

Im Rahmen dieses Forschungsprojekts sollen die Publikationen der Pädagogischen Forschungsstelle für den Fachbereich Englisch einer diskriminierungs- und rassismuskritischen sowie diversitätssensiblen Untersuchung unterzogen werden. Im Anschluss an diese Analyse werden der Pädagogischen Forschungsstelle Empfehlungen für eine eventuelle inhaltliche Überarbeitung bzw. eine Einschätzung über eine Eignung der Lektüre (unter o.g. Analysekriterien) gegeben und zusammenfassend in einem Projektbericht dargestellt. 

Projektbegründung 

Sprache als Träger bildet nicht neutral Realität ab, sondern ist mächtig, indem sie Bedeutungsangebote schafft, Bilder festigt, Vorstellungen formt, Meinungen bildet und somit Wirklichkeit schafft und verändert, die wiederum durch die Geschichte und die Weltbilder der jeweiligen Gesellschaft geprägt ist. Aus dieser Erkenntnis heraus erwächst eine Verantwortung für unseren Sprachgebrauch und damit einhergehend die Notwendigkeit einer kritischen Reflexion, die Sprache und Narrative politisch, kulturell, theoretisch und historisch in Bezug auf Bedeutung und Herkunft zu kontextualisieren. Sprache und Erzählperspektiven haben eine Wirkungsmacht und prägen die Vorstellungswelt ihrer Rezipient*innen, in diesem konkreten Fall unserer Schüler*innen.

Ausgehend von diesen Erkenntnissen stellt sich die Frage, welche Lehr- und Lernmaterialien Waldorflehrer*innen in ihrem Unterricht nutzen wollen. Neben dem Anliegen, Geschichten zu finden, die mit den Interessen und Bedürfnissen unserer Schüler*innen resonieren, sollte sich folglich auch die Frage danach stellen, welche Bedeutung diese Narrative besitzen und welche Wirklichkeitsordnungen sie darstellen, wer die Erzähler*innen dieser Geschichten sind und über wen aus welcher Perspektive erzählt wird, welche Bilder diese Narrative von der Welt erzeugen, wie divers eben diese angelegt sind, welche Figuren in den Geschichten repräsentiert und aktiv handelnd dargestellt sind, welche hingegen unterrepräsentiert, marginalisiert und ungehört bleiben, welche potenziellen Stigmatisierungen, Stereotypen und Klischees diese fiktionalen sozialen Welten abbilden und von welchen Autor*innen mit welchen Perspektiven und Privilegien wir diese Geschichten rezipieren. 

Diese Fragen, die im Kontext von gesellschaftlichen Differenz- und Dominanzverhältnissen zu verorten sind, resonieren auch mit der in der Stuttgarter Erklärung aus dem Jahr 2020 postulierten Absicht, sich gegen Rassismus und Diskriminierung zu positionieren. Als einen wichtigen Grundstein für dieses Vorhaben bewerte ich folglich eine rassismuskritische und diversitätssensible Bildungsarbeit, in der Lehr- und Lernmaterialien, von denen an Waldorfschulen Gebrauch gemacht wird, unter diesem Aspekt kritisch untersucht werden. 

Bei solch einer Analyse ist es demgemäß essenziell, die Blickwinkel und gesellschaftlichen Normen, mit denen Schüler*innen durch die Schullektüre konfrontiert sind, zu reflektieren. An Kinder und Jugendliche adressierte (Lehr-)Materialien sollten zugleich diversitätsbewusst und rassismuskritisch ausgerichtet seinSo ist es bedeutsam, Schüler*innen innerhalb dieser in Schulbüchern bereitgestellten Wirklichkeitsordnungen mit verschiedenartigen Lebensentwürfen der Sprach- und Lebenswelten zu konfrontieren. Damit geht einher, dass Schüler*innen Literatur von Autoren* und Autorinnen* unterschiedlicher kultureller Hintergründe lesen, dass sie in Geschichten mit Lebensentwürfen in Berührung kommen, die sich auch abseits heteronormativer gesellschaftlicher Vorstellungen bewegen, auch in Bezug auf sexuelle und geschlechtliche Identität, dass sie sich kritisch-reflektierend mit der englischen Sprachgeschichte in Bezug auf den Kolonialismus auseinandersetzen                          – insbesondere indem Stimmen und Perspektiven von BIPOC (Black, Indigenous und People of Color) ihre Darstellung in Erzählungen finden.

Mithilfe post- und dekolonialer intersektionaler Perspektiven bei der Untersuchung der Schullektüre, mit der die europäische Hegemonie sichtbar werden, können eurozentristische, essentialistische und rassistische koloniale Kontinuitäten und Diskurse dekonstruiert, epistemische Gewalt aufgebrochen und somit Macht und Gewalt sichtbar gemacht werden. Teil davon muss eine diskriminierungs- und rassismuskritische Schulbuchuntersuchung sein, die sich sprachkritisch mit Worten, Illustrationen, Geschichten und ihren Perspektiven sowie ihren immanenten Bildern auseinandersetzt, indem Macht- und Dominanzverhältnisse aufgedeckt werden. Dies kann aber nicht lediglich die Eliminierung diskriminierender Worte zur Folge haben, bleibt die Grundhaltung in der Textur, das komplexe koloniale und rassistische Narrativ der Geschichte bestehen, wenn eine als universal geltende Perspektive, die hegemoniales rassistisches Wissen reproduziert, den Schüler*innen vermittelt wird.

In den aus der Analyse des Vorprojekts hervorgegangenen Ergebnissen, in welchem vier verschiedene Lektüren aus dem Waldorfkanon für den Englischunterricht untersucht wurden (eine aus der Unterstufe, zwei aus der Mittelstufe und eine aus der Oberstufe) zeigte sich deutlich, dass die untersuchten Werke eurozentrische, essentialistische, diskriminierende und rassistische Kontinuitäten und Diskurse (re-)produzieren. Prinzipiell kann davon ausgegangen werden, dass durch eben jene Nichtthematisierung und fehlende kritische Selbstreflexion der an der Lektüre Beteiligten die Macht rassistischer Praktiken aufrechterhalten wird, Schüler*innen also zwangsläufig in diesem Prozess partizipieren und dieses Wissen unreflektiert weitertragen. Unwillkürlich werden so koloniale Bilder und Rollenvorstellungen weitergeschrieben, die Lehrkräfte und Schüler*innen zu einem unreflektierten Gebrauch von problematischen Begrifflichkeiten verleiten und stereotype, rassifizierende Vorurteile festigen. Dieser Habitus zeigte sich fest eingewoben in die Narrative (sowohl in der Textur der Geschichten als auch in den Illustrationen), sodass die Überarbeitung mittels eines didaktischen Kommentars zur kritischen Reflexion als nicht ausreichend einzuschätzen ist. Zudem zeigte sich in der Analyse der Werke, dass die abgebildeten Welten keine Vielfalt und Diversität widerspiegeln, sowohl mit Blick auf die Geschichten und ihre Figuren als auch mit Blick auf die Autorenschaft der Lektüren. Diese vorangegangene Analyse des Vorprojekts zeigt die Notwendigkeit, auch die weiteren Englischlektüren einer diskriminierungs- und rassismuskritischen sowie diversitätssensiblen Untersuchung zu unterziehen und aus den Forschungsergebnissen Konsequenzen für den Vertrieb der Lektüren abzuleiten.

Daten zum Projekt

Status Laufend
Start- & Enddatum 01.08.2024 - 31.07.2025
Projektträger Pädagogische Forschungsstelle Stuttgart
Projektverantwortliche Mirjam Nuenning , Fenja-Neele Hüneberg