Globalisierungsdiskurs im Unterricht von Waldorfschulen unter Berücksichtigung des Konzepts der sozialen Dreigliederung

Zugänge im Fach Geographie

9. Klasse
10. Klasse
11. Klasse
12. Klasse
Oberstufe
Wirtschaftskunde
Autoren: Keller, Gunter | Seitenanzahl: 311 | Preis: kostenlos online

Das Thema Globalisierung ist seit den 1990er Jahren allgegenwärtig und wird meist mit wirtschaftlicher Globalisierung gleichgesetzt, wie beispielsweise an der gegenwärtigen Finanzkrise deutlich wird.

Inaugural-Dissertation zur Erlangung der Doktorwürde der Fakultät für Forst- und Umweltwissenschaften der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i. Breisgau Vorgelegt von Gunter Keller:

Globalisierung umfasst jedoch mehr als das globale Finanzsystem und die globale Marktwirtschaft. Eine erste Aufgabe dieser Schrift ist zu zeigen, dass Globalisierung ein vieldimensionaler Prozess ist. Der Begriff Globalisierung meint nicht nur wirtschaftliche Globalisierung, sondern umfasst die gesamte Natur, den weltweiten Kampf um Bodenschätze, die Entstehung und Bekämpfung von Armut, Krieg und Frieden, multinationale und unilaterale Politik, Medien, Religion, Lebensweisen, Konsumgewohnheiten, Sprache und vieles mehr. 
Es handelt sich also um einen komplexen Prozess, der geographisch gesehen global, das heißt weltweit zu beobachten ist. Diese Tatsache kann leicht dazu führen, dass nur die globale Ebene berücksichtigt wird und der konkrete, lokale Ort vergessen wird. Im Rahmen dieser Arbeit werden globale und lokale Dimensionen gleichzeitig betrachtet. Denn es gibt einen globalen Markt und einen konkreten Ort, an dem produziert wird, eine globale, politische Rahmenordnung und einen konkreten Ort, an dem bestimmte Gesetze gelten. Es gibt eine Weltgesellschaft und eine Gruppe von Menschen an einem konkreten geographischen Ort, die in einer bestimmten Art und Weise leben. Daher besteht im Zeitalter der Globalisierung die Aufgabe, ein Verständnis dafür zu entwickeln, dass Globales mit Lokalem vernetzt ist. 
Dieser komplexe, ambivalente und multidimensionale Prozess macht es nicht leicht im Rahmen des Unterrichtes einen angemessenen Begriff von Globalisierung zu entwickeln. 

Die Problemstellung der didaktischen Umsetzung wurde in der Waldorfschule bisher nicht wissenschaftlich bearbeitet. Deshalb hat sich diese Arbeit zum Ziel gesetzt, die Thematik der globale Transformation so zu strukturieren und dazustellen, dass sie in einer drei- bis vierwöchigen Epoche im Hauptunterricht einer zwölften Klasse unterrichtet werden kann. 

Die didaktische Aufarbeitung der Globalisierungsthematik im Unterricht der Waldorfschulen verfügt durch das Konzept der sozialen Dreigliederung, das von Steiner gegen Ende des Ersten Weltkriegs und in der Nachkriegszeit entwickelt wurde, über einen funktionalen Zugang, globale Prozesse unterscheiden, gliedern und ordnen zu können. Dadurch ist ein Instrument vorhanden, um den Prozess der Globalisierung in den Subsystemen Wirtschaft, Politik und Kultur zu analysieren. Darüber hinaus wird von diesem Konzept die Dimension der Natur und des Individuums mit berücksichtigt. 
Das Konzept der sozialen Dreigliederung setzt sich mit den Prinzipien Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit (Solidarität) auseinander und zeigt auf, dass im Subsystem Wirtschaft das Prinzip der Solidarität, im Subsystem Politik das Prinzip der Gleichheit und im Subsystem Kultur das Prinzip der Freiheit gelten. 

Vor dem Hintergrund der sozialen Dreigliederung wird ein Unterrichtskonzept entworfen, das jeweils Beispiele zu den drei Subsystemen herausarbeitet. Dadurch ergeben sich Ansätze, wie der Prozess der Globalisierung nach den Prinzipien Freiheit, Gleichheit und Solidarität gestaltet werden könnte. 

Ein weiteres Ziel dieser Arbeit über Globalisierung liegt darin zu zeigen, wie den Schülern ein Verständnis von vernetzten und sich gegenseitig bedingenden Prozessen vermittelt werden kann: Da es sich bei der Globalisierung um eine dynamische Transformation handelt, muss ein statisches Denken durch ein prozessuales Denken erweitert werden. Um sich verändernde vernetzte Strukturen verstehen zu können, ist ein Denken zu entwickeln, das in der Lage ist zwei oder mehrere Ereignisse und ihre gegenseitigen Wirkungen gleichzeitig zu erfassen. Ein Verstandesdenken, das vor allem die Einzelheiten in den Blick nimmt, ist durch ein Vernunftsdenken zu erweitern, das sowohl Lokales und Globales als auch deren wechselseitige Beziehung mit einbezieht.