Beziehungskunst: Für eine achtsamere Begegnungskultur in der Schule

Ein Film von Sven Saar und Franz Glaw

Die Aussagen im Film „beziehungskunst“ sollen zu Gesprächen in Kollegien und Ausbildungsstätten anregen. Schauen Sie ihn sich gemeinsam an und kommen Sie in einen Austausch: Wozu sind wir hier aufgerufen? In welchem Verhältnis steht unsere intentionale Praxis mit der von Schüler*innen erfahrenen und gelebten Realität? Hierbei sollen Ihnen die untenstehenden Anregungen und Arbeitsprozesse helfen.

Erste Stimmen aus Kollegien und Seminaren: 
  • “Das ist eine Riesenchance - genau das wäre jetzt dran!”
  • “Es ist schon beeindruckend, wie reflektiert die da auf ihre Schulzeit schauen.”
  • “Da hat man gutes Arbeitsmaterial für eine ganze Reihe von Konferenzen!”
  • “Eine richtig gute Anregung für einen neuen Blick auf unseren Alltag.”


Im Folgenden finden Sie Gesprächsangebote, die auf dem Film basieren. 

Selbstverständlich können Sie auch einzelne Aspekte herausgreifen, oder die Arbeit ausweiten. Wir freuen uns auf Rückmeldungen, ob dieser Impuls als hilfreich empfunden wird. 

beziehungskunst - der Film
Vorschlag für eine Konferenz- oder Seminararbeit (60 bis 90 Minuten)
  • 10 Minuten: Schauen Sie sich den Film gemeinsam an (er dauert nur sieben Minuten).
  • 5 bis 10 Minuten: Austausch im Plenum: Was hat mich spontan angesprochen oder bewegt?
  • 10 Minuten: Lesen Sie die (für Sie im Voraus auf einer Doppelseite fotokopierten) thematischen Vorschläge, und suchen Sie Partner*innen, um über einen Aspekt, der Sie besonders anspricht, ins Gespräch zu kommen.
  • 10 Minuten: Sehen Sie sich den Film gemeinsam ein zweites Mal an – vielleicht entdecken Sie neue Nuancen.
  • 15 bis 30 Minuten: Sprechen Sie in Kleingruppen über Gesichtspunkte, die Ihnen wichtig erscheinen. Hier geht es (noch) nicht um Konsens oder neue Wege, sondern um die gegenwärtige Realität und Ihr Verhältnis dazu.
  • 15 bis 20 Minuten: Im Plenum tauschen Sie sich über die Themen aus den Gesprächsgruppen aus. Können Sie Gemeinsamkeiten entdecken und mögliche Arbeitsfelder benennen?

In kommenden Konferenzen oder Seminareinheiten reflektieren Sie diese Gespräche, und erwägen Potenziale, um für Ihre Schule oder Ihre individuelle berufliche Praxis neue Impulse zu finden.

Wichtig: Sie sind hier völlig frei. Unser Bestreben in Waldorfschulen kann nicht sein, Verhaltensvorschriften zu geben. Aber wir haben die Möglichkeit, uns mit- und aneinander zu einer achtsameren pädagogischen Praxis zu inspirieren. Dabei ist jeder noch so kleine Schritt heil- und bedeutsam.

Fragen und Gesprächsansätze:
  • Sophie sagt, dass sie, wenn die Lehrenden ihre „Grauräume“ richtig nutzen, nicht mehr das Gefühl habe, wie „vor 2000 Jahren im alten Rom auf Tafeln herumzukratzen“. 
    Welche Aspekte des Unterrichtsgeschehens sind immer noch alten kulturellen Gewohnheiten geschuldet und haben sich möglicherweise trotz gesellschaftlicher Entwicklung nicht genügend verändert?
  • Helen hat in ihrer Schulzeit gelernt, mit ihren Mitmenschen „empathisch, rücksichtsvoll, respektvoll“ zu kommunizieren und ist dafür sehr dankbar. 
    Was für Möglichkeiten gibt Ihr schulischer Alltag, diese Fähigkeiten zu fördern? Geschieht das quasi von allein, oder schaffen Sie bewusst Räume dafür?
  • Robert findet es wichtig, dass Lehrende in seiner Schule nicht nur regelmäßig den Lernenden Feedback geben, sondern auch explizit darum bitten. 
    Haben Sie damit Erfahrungen? Wenn (noch) nicht, welche Abläufe ließen sich in den Alltag einbauen, die eine gemeinsame Verbesserung der Lernprozesse zum Ziel haben?
  • Iona spricht über ihre positiven Erfahrungen als Quereinsteigerin. 
    Gibt es in Ihrer Schule Absprachen und Abläufe, die den „Eingewöhnungsprozess“ für neue Schüler*innen nicht nur individuellen Klassenlehrer*innen und -betreuer*innen überlassen? Wie könnten solche Absprachen und Abläufe aussehen?
  • Amrit beschwert sich über „stundenlanges Abschreiben“. 
    Das mag sein „gefühltes“ Erlebnis sein – aber gibt es das in Ihrer Schule auch? Was sind die Intentionen dabei und was die pädagogischen und auch methodischen Vor- und Nachteile des Abschreib-Prozesses, und setzen wir diese Technik vielleicht zu unreflektiert ein?
  • Sophie wünscht sich, „gesehen, verstanden und gehört“ zu werden.
    Haben Sie Schüler*innen, die Sie nerven, oder die Ihre Lieblinge sind? Wie gehen Sie damit um, wenn sich im Inneren Schubladen auftun? Was sind mögliche Zugänge zu einer nicht urteilenden Wahrnehmung der Lernenden?
  • Amrit findet den Waldorflehrplan „eurozentrisch“ und würde seine Kinder lieber auf eine staatliche Schule schicken, weil diese „internationaler“ sei. 
    Könnten der Alltag und die Traditionen Ihrer Schule auch Ihren Lernenden Anlass geben, das so zu empfinden? Wie ließe sich das vermeiden?
  • Lotte hat Situationen erlebt, in denen im Klassenzimmer aktives Mobbing stattfand, und die Lehrenden das wohl bemerkt, aber nicht eingegriffen haben. Sie wünscht sich ausdrücklich Beistand der Pädagog*innen, wenn so etwas passiert. 
    Haben Sie damit Erfahrungen gemacht? Haben Sie vielleicht Ihren Unterricht unterbrochen, oder nachher das Gespräch mit Schüler*innen gesucht? Wo liegen Ihre „Toleranzschwellen“?
  • Mascha hat schlechte Erfahrungen mit dem „Whistleblowing“ gemacht: Schüler*innen beschweren sich, und es passiert nichts. Vielleicht wird es sogar schlimmer…
    Sind in Ihrer Schule Verbesserungsvorschläge von Schüler*innen willkommen? Wie gehen Sie mit Beschwerden um? Gibt es transparente, zuverlässige Abläufe, um diese Art der aktiven Mit – Verantwortung zu stärken? Fühlen sich Ihre Schüler*innen ernstgenommen?
  • Helen hat gute Erinnerungen an den „Bauchwehstuhl“ in ihrem Erstklasszimmer. Wie erlaubt Ihre Schule den Erstklässler*innen einen niedrigschwelligen Einstieg in den Schulalltag? Wie wird Schulangst oder Reizüberforderung prophylaktisch entgegengewirkt? Was für Impulse finden sich bereits hier, die langfristig zur Sozialfähigkeit der Klasse und einzelner Kinder beitragen können?
  • Abschließend fragt Helen: „Und was macht Ihr Waldorflehrer*innen jetzt damit?“
    Schauen wir genügend auf die Wirkung unserer pädagogischen Impulse und Maßnahmen? Sicher sind sie meistens gut intentioniert, und oft fantasievoll umgesetzt – aber wie sieht das Ganze aus der Perspektive der Lernenden aus? Das wäre eine lohnende Plenaraktivität: Lehrer*innen versuchen, eine Schulstunde ganz aus der Perspektive eines Schülers oder einer Schülerin zu beschreiben. Was wurde gelernt, wie hat man sich gefühlt, wodurch wurde man abgelenkt, was blieb am wirksamsten hängen? 

Beschäftigen Sie sich in Ihrer Schule oder in Ihrer Ausbildung gerne eingehender, und weit über diesen kurzen Film hinaus, mit diesen Fragen. Schule muss Teil des Lebens sein, und ihre pädagogischen Aufgaben gehen über das hinaus, was man traditionell als „Bildung“ bezeichnet.

Alles, was wir erleben, ist biografisches Curriculum und trägt zu unserer Menschwerdung bei. Je achtsamer wir dabei in der Begleitung des lernenden Kindes sind, desto besser ist es in der Lage, den Grundgedanken der Waldorfpädagogik umzusetzen: Alle Erziehung ist eigentlich Selbsterziehung

Mit freundlichen Grüßen und unseren besten Wünschen für eine fruchtbare Zusammenarbeit. 
Sven Saar und Franz Glaw