Bewegungslernen unter besonderen neuropsychologischen Bedingungen

Untertitel: am Beispiel der Trisomie 21 (Dissertation)
Status: abgeschlossen
Startdatum: 15.10.2009
Enddatum: 31.08.2015
Projektträger: Pädagogische Forschungsstelle Stuttgart
Projektverantwortliche: Alfred Röhm , Prof. Dr. André Zimpel

Wissenschaftliche Fragestellung

In wie weit beeinflussen Einschränkungen der Freiheitsgrade in der Orientierungsgrundlage den Lernerfolg von Menschen unter den Bedingungen einer Trisomie 21?

Hypothese

Eine Orientierungsgrundlage mit weniger Freiheitsgraden führt bei Menschen mit der Behinderung von Trisomie 21 zu gleichen Erfolgen wie bei der Vergleichsgruppe einer Regelschule mit mehr Freiheitsgraden.

Erläuterungen zum Thema der Dissertation

Beim Forschungsthema der Dissertation handelt es sich um Selbststeuerungsprozesse aus handlungswissenschaftlicher Perspektive. Dies bedeutet, dass besonders auf den Theorie-Praxis-Dialog geachtet wird. Dabei soll gezeigt werden, dass neu zu lernende Körperbewegungen durch koordinierte, bewusste und raumdynamische Aufmerksamkeitsprozesse dann günstiger zu lernen sind, wenn Freiheitsgrade eingeschränkt werden.

Die grundgelegte These lautet: Räumliche Aufmerksamkeit wirkt und sie kann durch bewusste, zirkuläre Rückkopplungsprozesse zur Optimierung der Wahrnehmung und Körperbewegungen eingesetzt werden. Durch bewusstes Erleben und räumliches Gestalten der Aufmerksamkeit werden Selbststeuerungsprozesse angeregt und unterstützt.

Das Prinzip der Selbststeuerungsprozesse ist Kern der Kybernetik zweiter Ordnung (vgl. Förster und Bröcker 2002). Diese vertritt den Standpunkt, dass der Selbstbezug (Zirkularität) des Menschen seine Beobachtung und sein Handeln beeinflusst. Während die Kybernetik erster Ordnung die herkömmliche, naturwissenschaftliche Perspektive vertritt, dass der Wissenschaftler objektiv beobachtet, ohne sich selbst in den Prozess einzubringen, postuliert die Kybernetik zweiter Ordnung, dass der Beobachter selbst Teil des Beobachtungsprozesses ist. Dies kann für Lernprozesse Behinderter und Nichtbehinderter nutzbar gemacht werden.

Die Selbststeuerungsprozesse sollen – eingebettet in die geplante Hamburger Studie Trisomie 21 – an etwa 50 Menschen, die unter den Bedingungen von Trisomie 21 leben, untersucht werden. Dies ist die empirische Grundlage der wissenschaftlichen Studie. Gegebenenfalls werden noch andere sonderpädagogische Aspekte innerhalb dieses Forschungsprojektes berücksichtigt werden.

Die raumdynamischen Selbststeuerungsprozesse der Bothmergymnastik (vgl. v. Bothmer 2004) und von Spacial Dynamics (vgl. McMillan 2004) werden für die Sonderpädagogik handhabbar gemacht. Da auch die Nebenübungen Rudolf Steiners (vgl. Steiner 1992), die auf Selbststeuerungsprozessen beruhen, eine räumliche Relevanz aufweisen, sollen diese in die Dissertation einbezogen werden. Damit werden Empirien verbunden, um auf dem Gebiet des Bewegungslernens eine neue Qualität zu erreichen.

Für Menschen mit einer Trisomie 21 sind Selbststeuerungsprozesse aus folgenden Gründen hilfreich. Das Aufmerksamkeitsfenster des Menschen ermöglicht in der Regel eine simultane Wahrnehmung von drei bis vier Dingen. Unter den Bedingungen bestimmter Syndrome kann dieses unter Umständen variieren. Wir nehmen an, dass das Aufmerksamkeitsfenster bei Trisomie 21 im Gegensatz zum Normalfall verkleinert ist. Dafür scheinen Menschen unter den Bedingungen von Trisomie 21 eine verbesserte Gestaltwahrnehmung zu besitzen. Das die Wünsche der Teilnehmer nach Möglichkeit berücksichtigende Bewegungsprogramm soll zunächst auf die Komplexität der Freiheitsgrade analysiert werden. Dann soll ein Übungsprogramm entwickelt werden, das die Freiheitsgrade dieses Bewegungsprogramms sukzessiv einschränkt. Durch diese Einschränkung der Freiheitsgrade müsste das Bewegungslernen demzufolge effektiver stattfinden können. Es ist 3 darüber hinaus zu erwarten, dass dieser zur Selbststeuerung ermutigende Ansatz das Selbstwertgefühl bzw. Selbstvertrauen des lernenden Menschen steigern wird.

 Projektleiter:

Alfred Röhm (Stellvertretende wissenschaftliche Leitung)
Prof. Dr. André Frank Zimpel (Wissenschaftliche Leitung)