Seit ihrem Beginn 1919 erfreut sich die Waldorfschule eines wachsenden Zuspruchs und einer weltweiten Ausbreitung, die bis in die Gegenwart anhält. Dieses erfreuliche Wachstum kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass Existenz und Qualität der Waldorfschule keine gegebenen und selbstverständlichen Größen sind, sondern ständig und mitunter gegen Widerstände erarbeitet werden müssen. Solche Widerstände, Erschwernisse und Gefahren kommen manchmal von außen, meistens entstehen sie aber im Inneren der Waldorfszene selbst: als Gleichgültigkeit den Grundlagen der Waldorfpädagogik gegenüber, als bequemes Arrangement im Status Quo, als Sektierertum und Obskurantismus.
Dieses Heft thematisiert schwerpunktmäßig zwei Gefahren von innen, mit denen sich die Waldorfschule in letzter Zeit auseinandersetzen muss: Die eine davon zeigt sich in Versuchen rechtsextremer Unterwanderung in der Schulbewegung. Die andere besteht in dem Versuch, Waldorfschulen und ihre korporativen Institutionen (Landesarbeitsgemeinschaften Bund) für Ansichten von Pandemie-Leugnern und sogenannten Querdenkern zu vereinnahmen. Dabei soll mit diesem Heft keineswegs die Deutungshoheit über eine vermeintlich richtige Einstellung zur Pandemie, zu Gegenmaßnahmen und zur Impffrage beansprucht werden – die Beantwortung dieser Fragen kann immer nur das Ergebnis individueller Urteilsprozesse sein. Vielmehr geht es darum, Versuchen entgegenzutreten, die Waldorfschule als Plattform für partikuläre politische Anliegen zu missbrauchen.
Die ersten beiden Aufsätze beinhalten eine unmissverständliche Abgrenzung von jeder Form rechtsnationalen Gedankenguts. Frank Steinwachs arbeitet in seinem Aufsatz die strukturelle Unvereinbarkeit völkisch-autoritärer Phantasmen mit der Waldorfpädagogik heraus. Markus Schulze beschreibt an verschiedenen Beispielen Versuche der rechtsextremen Unterwanderung und berichtet von erfolgreichen Gegenstrategien.
Nele Auschra berichtet aus der Arbeit des Bundesvorstands, hier mit dem Fokus auf Konflikte, die während der Pandemie in der Waldorf-Community entstanden sind, und reflektiert die schwierige Rolle des Bundes angesichts der Versuche von einzelnen Waldorflehrkräften und Waldorfeltern, die landesrechtlich verordneten Corona-Maßnahmen an Schulen zu unterlaufen. Die Darstellung von Stephanie Balik und Christoph Sander gibt einen Einblick in die anspruchsvolle Rolle der »Landesarbeitsgemeinschaft der Freien Waldorfschulen Baden-Württemberg« während der Pandemie.
In der Darstellung von Michael Zech wird von einem übergeordneten Gesichtspunkt aus der Charakter der Waldorfschule als zivilgesellschaftliche Institution beleuchtet. Er zeigt, dass sich aus der Rückbesinnung auf die zivilgesellschaftlichen Aufgaben spezifische Herausforderungen, aber auch große Chancen für die Waldorfpädagogik ergeben.
Florian Stille
PS: Das Journal für Waldorfpädagogik hat eine neue E-Mail-Adresse,
unter der Sie uns erreichen können: jfw@lehrerseminar-forschung.de
Inhalt
FREIE SCHULE, STAAT UND GESELLSCHAFTLICHE VIELFALT
ZUR WALDORFPÄDAGOGIK
FACHPÄDAGOGISCHE BEITRÄGE
LEBENSBILDER
BUCHBESPRECHUNGEN
Titel | Journal für Waldorfpädagogik 03 - November 2021 |
---|---|
Untertitel | Sonderthema: Freie Schule, Staat und gesellschaftliche Vielfalt |
Verlag | Bund der Feien Waldorfschulen |
Ausstattung | |
Umfang | 114 Seiten |
Format | 14,8 x 21 cm |